Ein Viehtransport unterwegs in Australien – voll mit Tieren, die denselben Lebensatem haben wie wir. (Foto: ogwen/wikimedia)
Ein Viehtransport unterwegs in Australien – voll mit Tieren, die denselben Lebensatem haben wie wir. (Foto: ogwen/wikimedia)
31.03.2018 – Impuls

Genesis 1,1.26–31a

Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. (…) Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und ­vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen. Dann sprach Gott: Hiermit übergebe ich euch alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die Samen ­tragen, und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten. Euch sollen sie zur Nahrung dienen. Allen Tieren des Feldes, allen Vögeln des Himmels und allem, was sich auf der Erde regt, was Lebensatem in sich hat, gebe ich alle grünen Pflanzen zur Nahrung. So geschah es.
Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut.

Einheitsübersetzung, gekürzt

 

Einladung zu neuem Leben

Kürzlich begegnete mir ein Artikel über «Tiere, die sich auf dem Land regen», über den Transport von Tieren auf engstem Raum über 3000 Kilometer, nur um am Ende geschlachtet zu werden. Rinder verdursten auf den Transporten, Zuchtkühe gebären und sterben auf Lastwagen. Es sind Tiere, welche denselben «Lebensatem» haben wie wir! Es ist kaum zum Aushalten. Entsetzlich! Ich schlief schlecht. Aber was ist das schon angesichts solchen Leidens. Ich habe dann auch gegen solchen Wahnsinn unterschrieben.

Von Bäumen ist im Schöpfungsbericht der Genesis die Rede und von den grünen Pflanzen. Sie dienen selbstverständlich, ohne Worte, mit dem Sauerstoff für unsere Atmung. Die gebundenen Tulpen leuchten uns bei den Eingängen in den Läden entgegen. Sie blühen zu unserer Freude, stumm, voller Hingabe, dem Licht entgegen. Wir leben vom selben Licht wie sie.

Ostern überall! Nicht erst, wenn wir am Schoggihasen knabbern oder vielleicht an den grossen Osterfeiern teilnehmen, wo wir das neue Leben Christi feiern, an dem wir Anteil haben werden. Wir werden daran erinnert, dass alles Leben aus dem «grossen unendlichen Leben» des Schöpfers quillt, das der Tiere und der Pflanzen und Bäume und (erst) seit ungefähr 2,8 Millionen Jahren das der Menschen.

Was ist der Mensch? Was machen wir aus unserem Leben und dem der Pflanzen und Tiere? Wir teilen miteinander denselben Atem. Was machen wir mit den Menschen?

1971, an einem Ostertreffen in Taizé, wurde ich durch folgende Worte aus dem jugendlichen Schlaf gerissen: «Unser Leben hingeben, damit der Mensch nicht mehr Opfer des Menschen sei.» Eine Quelle wird in mir wach.

Da hat sich nichts geändert. Ich schaue nach Syrien und sehe die Kinder. Was wird aus ihnen? Hass wird in ihnen gesät. Wie denken sie wohl über die Erwachsenen? Kaum auszudenken. Oder am Donnerstagmorgen, da huschte der Zug auf der Fahrt nach München an drei grossen Gräbern mit dem Davidstern vorbei, und auf einem leuchteten violette Krokusse. Welcher Anblick! Auf der Rückfahrt ästen in der Nähe Rehe. (Ende April 1945 kamen dort 170 evakuierte, kranke jüdische KZ-Häftlinge beim Beschuss durch alliierte Flieger ums Leben.) Noch nicht genug des Grauens! «… damit der Mensch nicht mehr Opfer des Menschen sei.»

Gottlob können wir spätestens in den Osterfeierlichkeiten die seufzende Schöpfung, zu der wir vielleicht auch gehören, vor dem Ewigen, dem Lebendigen beklagen und Ihn um das gute Leben für alle Wesen bitten und beten mit den Worten von Frère Roger: «Christus allen Erbarmens, wir dürsten danach, dich sagen zu hören: Steh auf, sei ein lebendiger Mensch! Wir möchten uns niemals für die Dunkelheit oder Mutlosigkeit entscheiden, sondern die Klarheit deiner Nähe in uns aufnehmen. Sie trägt uns und lässt uns alles in neuem Licht sehen.»

Und die Worte der Dichterin Marie Luise Kaschnitz laden zu neuem Leben ein, das künftig Blüten und Früchte tragen soll und alles Leben liebt:

«Das eigentliche Kreuz ist kein totes Ding.
Es ist ein Baum,
der bis an die Wolken wächst
und Blüten und Früchte trägt.
Unzähliges Volk umgibt ihn
und badet in dem Quell,
der zu seinen Füssen entspringt.»

Anna-Marie Fürst, Theologin, arbeitet in der Gefängnisseelsorge und in der Seelsorge für Menschen mit Behinderung in den Kantonen Aargau, Basel-Stadt und Zug