15.07.2021 – Was mich bewegt

Auf der Suche nach der moralischen Gewissheit

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Was ist Wahrheit? (Johannesevangelium 18,38) Diese Frage ist zum «locus classicus» auf der Spurensuche in der Wirklichkeitsfindung, zum zentralen Thema der Philosophie und der Logik, der Literatur und der Kunst geworden. Und auch der Rechtsprechung – mit ihrer Verpflichtung, die ganze Wahrheit und nur die Wahrheit zu sagen (vergleiche c. 1531 § 1 des Codex Iuris Canonici [CIC], des Gesetzbuches des Kirchenrechts).

Die Frage des Pilatus kann durchaus ein Ansporn sein, sich der eigenen Erfahrungen in der Beziehung zum Wahrheitsanspruch bewusst zu werden. Wissenschaftlich betrachtet ist Wahrheit das, was objektiv (durch Beweise und Begründungen) belegt sein kann und (im Idealfall) breit akzeptiert ist. Subjektive Wahrheiten hängen dagegen von persönlichen Meinungen und Horizonten ab. Zwei Menschen können die gleiche Situation ganz unterschiedlich wahrnehmen und trotzdem mögen beide recht haben. Woran erkenne ich, dass es sich im bestimmten Fall um eine objektive Wahrheit handelt?

Im Tätigkeitsfeld eines kirchlichen Gerichtes wird der Anspruch nach einer objektiven Wahrheitsfindung nicht verlangt. Es soll dort über die Prozessfrage «lediglich» eine moralische – und somit keine absolute, dafür eine jeden vernünftigen Zweifel ausschliessende – Gewissheit gegeben sein (vergleiche c. 1608 § 1 CIC). Unsere Quellenangabe ist und bleibt: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben (Johannesevangelium 14,6).

Wieslaw Reglinski, Offizial (Leiter des bischöflichen Gerichts) des Bistums Basel