17.09.2020 – Editorial

Bettag als Danktag

Es ist ein besonderer Bettag, der uns am 20. September bevorsteht. Genauer: Ein Bettag in einem besonderen Jahr. Nimmt man die bis ins Mittelalter zurückreichende Geschichte der eidgenössischen Bettage in den Blick, so stösst man auf die grossen Bedrohungen, die in jedem Jahrhundert das Bedürfnis nach dem gemeinsamen Beten wachsen liessen: Kriege, Seuchen, Hungersnöte.

Eine Seuche ist auch die Corona-Pandemie, die in diesem Jahr 2020 unser gewohntes Leben so stark verändert. Auf der ganzen Welt haben die Menschen darauf reagiert. Wie war es dieses Frühjahr in unserem Land? Locker gewordene Beziehungen innerhalb von Familien sind wieder lebenswichtig geworden. Nachbarn haben unter sich den Austausch von ­Lebenszeichen abgemacht. Jüngere haben für ­Ältere Besorgungen übernommen. Pfarreien suchten und fanden den Kontakt zu Menschen, die es nötig hatten. All das zeigt: Noch gibt es Zusammenhalt, der durch eine böse Zeit tragen kann.

Die Lockerungen des Sommers haben uns wieder manches Stück Normalität erleben lassen. Gut so! Gleichzeitig deutet alles darauf hin, dass wir den neu erlebten Zusammenhalt auch im Herbst und Winter brauchen werden. Über unser persönliches Umfeld hinaus muss er besonders diejenigen Mitmenschen umfassen, die kein grosses oder gar kein Beziehungsnetz haben. Denn der Begriff «Social Distancing» – so viel haben wir gelernt – ist ganz schlecht gewählt: Körperlicher Abstand kann die Ausbreitung des Virus bremsen, soziale Distanz hingegen macht krank. Vereinzelung gehört bei uns schon lange zu den Risikofaktoren für die körperliche und die seelische Gesundheit. Das gilt erst recht in der Coronazeit.

Eidgenössischer Dank-, Buss- und Bettag nennt sich der Feiertag vom kommenden Wochenende offiziell. Der Dank steht am Anfang. Der Sinn des Dankens ist auch vielen zugänglich, denen Büssen und Beten keine geläufigen Begriffe mehr sind. Wer dankt, kennt ein Du und wendet sich ihm zu. Wer danken kann, lebt im Wissen, nicht alles aus eigener Kraft zu schaffen, sondern vieles geschenkt zu bekommen. Dank, Solidarität und Gemeinschaft: Sie sind keine Impfung gegen das Virus, aber sie machen es möglich, mit dem Virus zu leben.

Christian von Arx