03.02.2018 – Editorial

Ein Ministerium für Einsamkeit?

Zuerst glaubte ich an einen Scherz. Am 17. Januar ging die Meldung in die Welt, in Grossbritannien gebe es jetzt ein Ministerium für Einsamkeit. Aber ein Blick in die Website der britischen Regierung bestätigt den Sachverhalt. Zwar wurde kein eigenes Ministerium mit diesem Namen geschaffen. Aber Premier­ministerin Theresa May hat der Ministerin für Sport und Zivilgesellschaft, Tracey Crouch, offiziell die Aufgabe übertragen, der Vereinsamung entgegenzuwirken.

Einsamkeit sei eine «Epidemie im Verborgenen», werden Forschungsergebnisse zitiert: Neun Millionen von 66 Millionen Briten fühlten sich häufig oder immer einsam. 200 000 ältere Menschen hätten höchstens einmal im Monat ein Gespräch mit Freunden oder Verwandten. Und 85 Prozent der behinderten jungen Erwachsenen zwischen 18 und 34 Jahren litten unter Einsamkeit.

Mit ihrem Entscheid, eine Einsamkeitsstrategie zu entwickeln, nahm die konservative Regierung von Theresa May einen Anstoss der ­Labour-Abgeordneten Jo Cox auf, die 2016 bei einem Attentat ermordet worden war. Sogleich wurde die Forderung nach politischem Einsatz gegen die Einsamkeit auch in Deutschland erhoben. Die Caritas-Konferenzen Deutschlands, die sich als Netzwerk von Ehrenamtlichen verstehen, teilten mit, bei ihnen seien Wissen und Praxis im Kampf gegen Einsamkeit bereits vorhanden. Von der Politik erwarten sie finanzielle Unterstützung, um mehr tun zu können.

Ob das britische Ministerium für Einsamkeit der richtige Weg ist, löst bei mir Skepsis aus: Ein Ministerium ist weit weg von den Frauen, Männern, Kindern und Jugendlichen, denen menschliche Nähe fehlt. Positiv kann sich der Ruf nach Ministerien für Einsamkeit auswirken, wenn er die Bedeutung des Themas ins allgemeine Bewusstsein rückt. Eine Gefahr ist er, wenn sich die Auffassung breit macht, um dieses Problem kümmere sich ja jetzt der Staat.

Kennen Sie einsame Menschen in Ihrem Umfeld? Kommen Ihnen Gesichter von Menschen in den Sinn, denen ab und zu ein kurzes Gespräch, ein Besuch oder eine Hilfeleistung gut tun würden? Um der Einsamkeit zu begegnen, braucht es in erster Linie uns als einzelne Menschen. Eine grosse Rolle spielen dabei – zusammen mit anderen – unsere Pfarreien, genauer: die Menschen, die in den Pfarreien tätig sind. Viele kirchliche Tätigkeiten, von Altersnachmittagen bis zu Gottesdiensten, wirken der Vereinsamung ganz konkret entgegen. Die Kirchen sind eines der wichtigsten Netzwerke gegen die Einsamkeit. Jeder Staat wäre mit dieser Aufgabe überfordert.

Christian von Arx