Aus der Zeit vor Corona: Der Kölner Dom war ein Anziehungspunkt für Touristen aus der ganzen Welt. | © Miguel Parramon/wikimedia
Aus der Zeit vor Corona: Der Kölner Dom war ein Anziehungspunkt für Touristen aus der ganzen Welt. | © Miguel Parramon/wikimedia
20.08.2020 – Aktuell

Von der Systemrelevanz der Kirchen

Die Coronakrise hat das kirchliche Leben teilweise stark verändert

Seit sechs Monaten hält die Coronakrise die Welt in Atem. Die Auswirkungen auf den Alltag sind gross, das haben auch die Kirchen erfahren. Ein Rückblick auf das vergangene halbe Jahr am Beispiel von Köln.

Sommerloch? Es gab mal Zeiten, da plätscherten die Sommermonate ereignislos dahin. «Wie lang ist’s her / da war in diesen Wochen / in angenehmer Weise gar nichts los» schrieb Kurt Tucholsky Ende August 1918. Damals neigte sich der Erste Weltkrieg seinem bitteren Ende zu, die Sehnsucht nach Ruhe und Ereignislosigkeit war gross.

Dramatische Veränderung

Und der Sommer 2020? Steht ganz im Zeichen der Coronakrise. Ende Januar wurden erste bestätigte Infektionen registriert. Ein paar Wochen später die ersten Todesfälle gemeldet. Seitdem hat sich die Welt dramatisch verändert. Und auch wenn manche Länder in Europa bislang gut davongekommen sind, lastet die Sorge vor der zweiten Welle auf vielen Schultern. Auch in der katholischen Kirche.

Langsame Rückkehr zur Normalität

«Von einem Normalzustand sind wir noch weit entfernt.» Der Kölner Dom beispielsweise erlebt nach den Worten von Domdechant Robert Kleine derzeit eine langsame Rückkehr zur Normalität. «Normalerweise verzeichnen wir im Dom in den Hochzeiten des Sommers oder auch der Adventszeit bis zu
25 000 Besucher am Tag. Im Moment erreichen wir 9000, was allerdings schon eine deutliche Steigerung zu den knapp 5000 ist, die wir Anfang Juli gezählt haben», sagte Kleine Ende Juli dem Internetportal domradio.de.

Schmerzhafter Verzicht

Seit Mitte März war das kirchliche Leben in Deutschland wie auch in der Schweiz heruntergefahren. Öffentliche Gottesdienste, Prozessionen und andere religiöse Veranstaltungen fielen aus. Besonders schmerzhaft war das an den Kar- und Ostertagen, am Weissen Sonntag sowie an Pfingsten, Himmelfahrt und Fronleichnam. Erst seit Anfang Mai konnten die Kirchen wieder vermehrt öffentliche Gottesdienste unter strengen Schutzmassnahmen feiern.

Wurden Verbote und strenge Auflagen des Staates anfangs relativ klaglos akzeptiert, entwickelte sich schon bald eine Debatte darüber, ob die Kirchen solche Grundrechtseinschränkungen einfach hinnehmen sollten. «Wir nehmen unsere Verantwortung wahr und werden dafür Sorge tragen, dass kein Leben gefährdet ist», versicherte einerseits der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki.

Eingriff in Religionsfreiheit prüfen

Wie er drängten aber auch viele Bischöfe im April auf vorsichtige Öffnungen. So erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, angesichts von ersten Lockerungen in anderen Bereichen könne er nicht nachvollziehen, dass öffentliche Gottesdienste weiterhin verboten sein sollten.

Gerade in der Coronakrise müsse der Eingriff in die Religionsfreiheit immer wieder überprüft werden, forderte auch der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg. Gotteshäuser seien «systemrelevant», denn hier hätten die Menschen die Möglichkeit, ihre Ängste zu verarbeiten.

Ende April entschied in Deutschland auch das Bundesverfassungsgericht, dass Gottesdienste nicht pauschal verboten werden dürften, wenn strenge Schutzmassnahmen eingehalten würden.

Domdechant Kleine sagte dazu, auch während des Shutdowns sei der Kölner Dom für Betende stets geöffnet gewesen. Das sei auch ein Signal an die Öffentlichkeit gewesen. «Als Kirche haben wir vielleicht keine Systemrelevanz in dem Sinne, dass wir das Gemeinwesen am Laufen halten, aber wir haben immer eine Menschenrelevanz.»

Noch lange keine Normalität

Seit Mitte Mai wurde die Kathedrale auch wieder für den normalen Publikumsverkehr geöffnet. Von Normalität aber kann noch lange keine Rede sein. Erst schemenhaft zeichnen sich die Folgen der Coronakrise für die Kirchen ab. Das gilt für die Einschätzung digitaler Gottesdienste, aber auch für die Kirchensteuereinnahmen und die Zukunft kirchlicher Bildungseinrichtungen.

Kleine hält es für denkbar, dass die Coronakrise auch Auswirkungen auf die Gottesdienstbesuche hat. «Vielleicht ist es wirklich so: Vor Corona gingen viele wenigstens noch aus lieb gewordener Tradition zur Sonntagsmesse. Inzwischen aber stellen sie fest, dass ihnen ohne den üblichen Gang zur Kirche eigentlich nichts wirklich Wesentliches fehlt.»

Christoph Arens, kna; kath.ch