19.03.2020 – Editorial

Besondere Lage

Als der Bundesrat vor drei Wochen die besondere Lage gemäss Epidemiegesetz verkündete und Grossveranstaltungen mit mehr als 1000 Personen verbot, sorgte die Journalistenfrage nach den Auswirkungen auf die Kirchen noch für Heiterkeit. Mit mehr als 1000 Gottesdienstbesuchenden sei ja wohl kaum zu rechnen, hiess es. In der Zwischenzeit dürfte angesichts der dynamischen Entwicklung den allermeisten das Lachen vergangen sein.

Im Lichte der aktuell geltenden Einschränkungen erscheint unterdessen die Absage der Basler Fasnacht als verschmerzbar, so weh es getan hat. Selbst eine weitgehende Ausgangssperre, wie sie beispielsweise Österreich ab 16. März verhängt hat, ist nun in den Bereich des Möglichen gerückt. Damit käme das Leben, wie wir es kannten, endgültig zum Erliegen.

Ist ein Virus, das in einer Mehrheit der Ansteckungen keine schwerwiegende oder gar lebensgefährdende Krankheit auslöst, eine Bedrohung, der wir nur mit einer Lähmung des öffentlichen Lebens Herr werden können? Und warum gelten in der jährlichen Grippesaison nicht ähnliche Einschränkungen?

Für die Akzeptanz und damit auch Wirksamkeit der drastischen Massnahmen sind zwei Punkte zentral. Das Virus ist neu, und das bedeutet nicht nur, dass man nur wenig darüber weiss, sondern vor allem, dass niemand dagegen immun ist. Und: Es gibt (noch) keine Impfung. Der Rest ist eine Rechnung: Der Anzahl schwer Erkrankter, die intensive medizinische Behandlung benötigen, sind die verfügbaren Ressourcen gegenüberzustellen. Dann wird schnell klar, dass es nun darum geht, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, damit das Gesundheitswesen funktionsfähig bleibt. Das betrifft jeden und jede, ganz unabhängig davon, wie gross die von Corona ausgehende Gefahr für den/die Einzelne/n ist. Oder anders gesagt: Der Schutz der besonders gefährdeten Gruppen (die Über-65-Jährigen und generell Personen mit Vorerkrankungen) ist auch ein Selbstschutz für jeden und jede.

Solidarität ist also gefragt. Solidarität durch den Verzicht auf Gewohntes, das für uns so selbstverständlich geworden ist, dass wir es nicht mehr hinterfragen. Nun haben wir gezwungenermassen Gelegenheit dazu. Gefordert ist nun unsere Kreativität, um Wege zu finden, wie wir in Zeiten von Corona Gemeinschaft leben können. Nachdenken könnte man aber auch darüber, dass wir jenseits von Corona tagtäglich Risiken eingehen, ohne mit der Wimper zu zucken.

Regula Vogt-Kohler