Bischof Felix Gmür zur verpassten Reform bei den Ämtern: «Die Tür bleibt offen, denn die Tür, welche das Schlussdokument der Synode aufgetan hat, schliesst der Papst nicht.» | © zVg
Bischof Felix Gmür zur verpassten Reform bei den Ämtern: «Die Tür bleibt offen, denn die Tür, welche das Schlussdokument der Synode aufgetan hat, schliesst der Papst nicht.» | © zVg
17.02.2020 – Aktuell

Stimmen aus der Schweiz zu «Querida Amazonia»

Lob für die Parteinahme für Amazonien – Enttäuschung über das Schweigen zu den Ämtern

In der Schweiz fallen die bisher bekannten Reaktionen auf das Papstschreiben «Querida Amazonia» zwiespältig aus. Die Ernüchterung über die von vielen erwarteten, nun aber ausgebliebenen Reformschritte in der Zulassung zu den Weiheämtern ist gross. Anerkennung findet das entschlossene Bekenntnis von Franziskus zur Verteidigung der Rechte der indigenen Völker Amazoniens und ihrer Natur.

In einem ausführlichen Kommentar nahm Bischof Felix Gmür am 14. Februar als Präsident der Schweizer Bischofskonferenz zu «Querida Amazonia» Stellung. Der Text richte sind an alle Menschen guten Willens – «Amazonien betrifft uns alle». Die Anklage gegen die ausbeuterischen Wirtschaftsbeziehungen stelle auch uns die Frage, «ob die Art unseres Wirtschaftens mit dem Amazonas die Freiheit der dortigen Menschen und Gemeinschaften respektiert und fördert oder vielleicht doch eher mindert und die Lebensgrundlagen zerstört».

«Die Tür bleibt offen»

Differenziert befasst sich Bischof Gmür mit dem Bild der Kirche, das Franziskus für das Amazonasgebiet entwirft. Er kenne den Grund nicht, warum der Papst zur Priesterweihe verheirateter Männer und zur Weihe von Diakoninnen schweige. Er könne sich vorstellen, dass der Papst das Wesen der Weihe von der Machtfrage entkoppeln wolle. Die Tür bleibe offen, «denn die Tür, welche das Schlussdokument der Synode aufgetan hat, schliesst der Papst nicht». Als «befremdend» bezeichnet der Bischof von Basel «das sehr traditionelle Frauenbild» im Papstschreiben. Zumindest für unseren Kulturkreis sei dieses nicht inkulturiert. Hier bestehe Handlungsbedarf: «Die Kirche in der Schweiz braucht ein inkulturiertes Bild von Frauen (und Männern). Das ist ein Gebot der Erkenntnis der Zeichen der Zeit.»

Bischof Gmür stellt in der Ämterfrage eine Spannung fest: Der Papst rufe zu mehr Mut und lokaler Mitgestaltung auf, bleibe aber hinter seinem eigenen visionären Anspruch zurück: «Er lobt den ausgerollten Teppich des Schlussdokuments, läuft aber selber nicht darüber.» Gmür ruft dazu auf, sich dieser Spannung zu stellen: «Sie betrifft unseren nachhaltigen Lebensstil, unser Wirtschaften, unser Kirchesein.»

Bistum St. Gallen

Ähnlich betont eine Einführung des Bistums St. Gallen, der Zugang zu Weiheämtern bleibe der weiteren Diskussion zugänglich. Mit der Betonung der Leitungsaufgaben für Laien und Frauen bestätige das päpstliche Schreiben einen Weg, den weite Teile der Schweiz schon seit längerer Zeit gingen. Den grössten Teil seines Schreibens widme der Papst der sozialen, kulturellen und ökologischen Verantwortung. Dies sei, so die Stellungnahme des Bistums St. Gallen, «auch Auftrag und Verpflichtung für die Kirche in der Schweiz, sich auch auf politischer Ebene zu äussern und Initiativen zu unterstützen, die sich in Amazonien wie weltweit für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung einsetzen».

Bistum Chur

Eine Mitteilung des Bistums Chur hebt hervor, dass Franziskus in seinem Schreiben «die Unersetzbarkeit des sakramentalen Priestertums, dem innerlich verbunden und auch weiterhin der Zölibat zugehört» betone. Das Bistum weist aber auch auf die Aussage des Papstes hin, dennoch «neues Leben in den Gemeinden zu wecken», etwa durch Laiendienste. Auch das Bistum Chur verfolge dieses Ziel, es verweist dazu auf seine im Januar gestartete Initiative zum synodalen Prozess in der Schweiz.

In einem Kommentar auf dem Portal kath.net sieht sich der Churer Weihbischof Marian Eleganti in seiner Vorstellung des Priestertums bestätigt, denn der Papst rekapituliere «in wünschenswerter Klarheit wichtige theologische Elemente und Wesensmerkmale des Weihepriestertums» – nämlich die Befähigung zur Feier der Eucharistie, die ausschliesslich dem Priester zukomme. Als «grosse Schwäche» bezeichnet Eleganti die Tatsache, dass der Papst von einer Ausweitung der Kompetenzen der Laien, namentlich von «mit Vollmacht ausgestatteten Laien-Gemeindeleitern» spreche, ohne an «die damit bereits grundgelegten Konflikte zwischen geweihten und nichtgeweihten Trägern beziehungsweise Trägerinnen eines kirchlichen ‹Amtes›» zu denken.

Fastenopfer

Das katholische Hilfswerk Fastenopfer, das in Ländern des Amazonasgebietes tätig ist, begrüsst in einer Medienmitteilung «die klaren Worte des Papstes zum Erhalt Amazoniens. Franziskus stärke mit dem Dokument dem Widerstand der indigenen Gemeinschaften gegen Abholzung und Ausbeutung den Rücken, «indem er explizit die aktive Rolle der Kirche und der Zivilgesellschaft hervorhebt».

Enttäuschung bei Reformstimmen

Die in der Schweiz lebende deutsche Theologin Jacqueline Straub – bekannt für ihren Wunsch, Priesterin zu werden – ist enttäuscht, dass der Papst sich weder zum Zölibat noch zum Diakonat der Frau äussert. «Die Ermüdung wird noch grösser, die Unzufriedenheit ist unaufhaltsam. Zeit für Reformen ist jetzt. Nicht morgen!», teilt sie via Twitter mit.

Enttäuscht ist auch der Kapuziner Walter Ludin, wie seinem kath.ch-Blog zu entnehmen ist: «Papst Franziskus verpasst eine der letzten Chancen, die Reform der katholischen Kirche ‹von oben› zu steuern.» Weil Franziskus sich nicht zu «viri probati» durchringen konnte, erwartet Ludin, dass der Papst damit «unbewusst und unwillentlich die Tore öffnet für eine schon lange am Horizont sich abzeichnende ‹Selbstermächtigung› der kirchlichen Basis.»

Sein Mitbruder Willi Anderau, der auch als Sprecher der Pfarrei-Initiative fungierte, zielt in seinem Kapuziner-Blog in die gleiche Richtung: Papst Franziskus wirke, wie einer, «der ein paar neue Lunten legt, darauf hinweist, sie selber aber nicht anzündet. Was passiert aber, wenn ein anderer sie anzündet? Ein Bischof zum Beispiel, der für die Aufhebung des Pflichtzölibates gestimmt hat und jetzt ‹viri probati› weiht?»

Als «klatschende Ohrfeige» bezeichnet Andreas Heggli, Mitglied im Koordinationsteam der Allianz «Es reicht», das Papstschreiben; eine Ohrfeige «für alle, die mit Synoden, synodalen Wegen, mit Synoden 22 und was der Varianten mehr sind, die Hoffnung verbinden, dass es system-immanente Formen der Erneuerung der Kirche gebe», sagt er in einem Kommentar, der kath.ch vorliegt. Die gewichtige Amazonas-Synode habe keine der notwendigen Veränderungen gebracht. «Welcher Synode soll ein besseres Schicksal bevorstehen?», fragt Heggli.

Keine Reformen von oben erwarten

In «Querida Amazonia» rufe der Papst das traditionelle, hoch umstrittene Amtsverständnis in Erinnerung, wonach nur Männer in der Lage seien, Christus zu repräsentieren, sagt Daniel Bogner, Professor für Moraltheologie an der Universität Freiburg, in einem Gastkommentar für kath. ch. «Hat der Papst wirklich kein Bewusstsein davon», schreibt Bogner, «wie sehr das Modell der hierarchisch gegliederten Kirche mit ihrem Bauprinzip der Geschlechterdiskriminierung viele gläubige Menschen heute empört? Weil es in ihrer Wahrnehmung den tiefsten Impulsen der biblischen Botschaft widerspricht, die doch von der gleichen Würde aller handelt und Gottes Befreiungshandeln am Menschen als Ruf zu einer Existenz in Freiheit deutet.»

Allen an Reformen Interessierten werde mit dem Schreiben des Papstes klar: «Man darf nicht auf die ‹Revolution von oben› warten.» Wer wirklich etwas verändern möchte, müsse sein Schicksal selbst in die Hand nehmen, als Gemeinde, als Gruppe und als Einzelner. Die Stellungnahme des Papstes mache deutlich: «Man kommt um eine Revision der theologischen Grundlagen zur absolutistischen Verfassungsform der Kirche, ihrem hierarchischen Ämter- und Herrschaftsmodell und dem ungleichen Personenstandsregime nicht länger herum.» Gerade die reformorientierten Bischöfe sollten sehen, «dass es echte Erneuerung nicht geben wird, ohne diese Grundfragen endlich offen zum Thema zu machen», meint Daniel Bogner.

Christian von Arx/kath.ch