18.11.2019 – Aktuell

Unter dem Verputz hervorgeholt und beim Namen genannt

«Acht Frauen» ergänzen die Innenausstattung von St. Stephan in Therwil

Acht Namen und ein Wandbild, das den Eindruck erweckt, als handle es sich um ein wiederentdecktes altes Fresko: Das Kunstwerk «Acht Frauen» würdigt den Beitrag der Frauen in der frühen und in der heutigen Kirche.

Bei Sanierungen von alten Gebäuden kommt es immer wieder vor, dass unter neueren Schichten Bilder früherer Epochen auftauchen. Das geschah in der Kirche St. Stephan in Therwil bei der Renovation in den 1960er Jahren. Ans Licht kamen damals Fragmente der Bemalung, welche die im 17. Jahrhundert erbaute Kirche vor der barocken Neugestaltung aufgewiesen hat.

Auch beim neuen Wandbild könnte man meinen, es handle sich um ein zum Vorschein gekommenes altes Fresko. Das Bild mit den acht zeitgenössischen Frauen ist leicht vertieft, als ob es unter dem Verputz verborgen gewesen wäre. Es ist die Darstellung der Situation der Frauen in der römisch-katholischen Kirche: Die frühchristlichen Frauen verschwanden sozusagen unter Verputzschichten, und heute noch sind die Frauen diskriminiert.

Worüber die acht Frauen wohl bei ihrem Tischgespräch reden, fragte sich Gemeindeleiterin Elke Kreiselmeyer. Vielleicht darüber, ob nun nach der Amazonassynode Papst Franziskus das geweihte Amt für Frauen möglich macht? Oder vielleicht einfach über ihre Männer, die gemäss einer Erhebung des Bundesamts für Statistik das Putzen und Kochen immer noch zu einem grossen Teil ihren Frauen überlassen?

Wenn ein Geschlecht das andere und die Welt beherrsche, widerspreche dies der Schrift, sagte Kreiselmeyer. «Diese Welt ist auf Vielfalt angelegt.» Vielfalt und nicht Ungleichheit hätte sie auch sagen können. Zwei Bibelstellen, die sie zitierte, machen deutlich, dass mit Vielfalt nicht Ungleichheit gemeint ist: «Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus» (Paulus, Galaterbrief) und «Männlich und weiblich erschuf er sie» (Genesis).

Viele Frauen seien damals unterwegs gewesen, sagte Jutta Achhammer Moosbrugger in der Rolle der Missionarin Priska. «Ich bin überzeugt, dass es auch nach uns viele Frauen geben wird, denn: Die Geistkraft Gottes lebt in uns allen.»

Regula Vogt-Kohler

Zur Ergänzung des Figurenprogramms der Kirche hat die Pfarrei St. Stephan Theriwil/Biel-Benken die Broschüre «Acht Frauen. Amtsträgerinnen der frühen Kirche. Kirche St. Stephan, Therwil» herausgegeben. Die 40-seitige, illustrierte Broschüre ist zum Preis von 10 Franken in der Kirche erhätlich.

Wie in Marmor gehauen: Zwei Inschriften an der Emporenbrüstung der Therwiler Kirche St. Stephan. | © Regula Vogt-Kohler

Die Kirche St. Stephan erstrahlt nach der Innensanierung im früheren barocken Glanz. | © Regula Vogt-Kohler

Beiträge

«Segne alle, die sich ihrer erinnern»

Mit weit über 300 Personen war die Therwiler Stephanskirche beim Einsegnungsgottesdienst am Sonntag, 17. November, vollständig gefüllt. Die feierliche Liturgie leitete Markus Thürig, Generalvikar des Bistums Basel, zusammen mit dem Gemeindeleiterpaar Elke und Ralf Kreiselmeyer und dem ganzen Seelsorgeteam der Pfarrei. Mit Weihrauch und Weihwasser segnete der Generalvikar das Schiff der renovierten Kirche, den Altar, den Ambo und die neuen Kunstwerke. Alle Kerzen wurden an der Osterkerze neu entzündet. «Segne alle, die sich der acht Frauen erinnern und ihren Beitrag zur Verkündigung deiner Botschaft würdigen», sagte Generalvikar Thürig. Der Kirchenchor sang unter Leitung der Komponistin eine eigens für diesen Anlass komponierte Messe von Jessica Horsley.

Unter den Anwesenden im Kirchenschiff war Regierungsrat Anton Lauber, einen sichtbaren Akzent setzte die grosse Delegation von Jungwacht und Blauring mit Fahne. Zum Schluss dankten Ralf und Elke Kreiselmeyer allen, die bei der fast drei Jahre dauernden Planung und Ausführung der Gesamtrenovation mitgearbeitet hatten – darunter als Mitglied der Kunstkommission die Bibelwissenschaftlerin Helen Schüngel-Straumann, die erste promovierte Theologin der Schweiz, die mit ihrer «hartnäckigen und kühnen Forschungsarbeit» den Anstoss dazu gegeben hatte, dass die Kirche in Therwil nun «den Frauen der ersten Jahrhunderte buchstäblich ihr Ansehen zurückgegeben hat». Bewegt dankte Elke Kreiselmeyer auch dafür, dass sie als Ehepaar nun seit 20 Jahren in der Pfarrei St. Stephan Therwil/Biel-Benken arbeiten könnten: «Das ist eines der grossen Geschenke unseres Lebens.»

Christian von Arx

«Herzlich willkommen, ihr acht Frauen»

Frauen haben bei der Verbreitung des christlichen Glaubens in den ersten Jahrhunderten eine zentrale Rolle gespielt. Ein zweiteiliges Kunstwerk in der Therwiler Kirche St. Stephan nennt Amtsträgerinnen der frühen Kirche beim Namen und gibt ihnen ein zeitgenössisches Gesicht. Am Tag vor der Einsegnung der nach einer Innensanierung im früheren barocken Glanz erstrahlenden Kirche hat die Gemeinde die «Acht Frauen» begrüsst. «Herzlich willkommen, ihr acht Frauen», sagte Elke Kreiselmeyer, Gemeindeleiterin der Pfarrei St. Stephan.

Maria Magdalena, Martha, Phoebe, Junia, Lydia, Priska, Thekla und die Namenlose – diese biblisch genannten Frauen haben auf der Emporenbrüstung ihren Platz erhalten: als Inschriften, die aussehen wie in Stein gemeisselt. Tatsächlich ist aber alles «nur» gemalt. Passend zu der aus dem Jahr 1991 stammenden Marmormalerei der Brüstung hat die Künstlerin Corinne Güdemann für die Namen eine illusionistische Steinschrift gewählt. Das Wandbild an der Rückwand der Kirche verbindet die frühchristlichen Frauen mit dem Heute. Acht Frauen von heute sitzen, in eine angeregte Unterhaltung vertieft, an einem Tisch, auf dem Wein, Wasser und Brote verteilt sind. «Als würdet ihr in zeitgenössischen Frauen eine Wiederauferstehung erleben», umschrieb es Johannes Stückelberger in seiner Würdigung des Kunstwerks, in der er Antworten auf mögliche Fragen der acht historischen Frauen gab. Der Kunsthistoriker hat die Kunstkommission, die das Projekt begleitete, präsidiert.

Regula Vogt-Kohler