24.10.2019 – Editorial

Annäherung an Assisi

Die erste Begegnung mit Assisi findet aus der Distanz statt. Der Spaziergang nach der Ankunft in der Hügelstadt Perugia führt uns zum Aussichtspunkt bei der Piazza Italia. Das Panoroma ist für Schweizer Augen nicht spektakulär, aber dennoch überwältigend. Uns zu Füssen liegen weite Täler, und drüben, am unteren Hang des immerhin 1290 Meter hohen Monte Subasio, schimmert eine kleine Stadt: Assisi.

Das Leuchten hat zwei Gründe: die Sonne und die weiss-rosa Farbe der Steine. Die Wirkung ist magisch, magnetisch. Wenn wir nicht ohnehin beschlossen hätten, Assisi zum Ziel unseres ersten Ausflugs zu machen, hätte es uns nach diesem Anblick ganz automatisch dort hingezogen.

Mit dem Bild der von der Sonne beschienenen Stadt vor Augen setzen wir uns am nächsten Morgen in den öffentlichen Bus. Es geht steil hinunter zum Tiber und dann hinüber in die weite Ebene, in der der Flughafen «San Francesco d’Assisi» liegt. Hier grüsst uns der Heilige als Statue: Franziskus, der sich an die ihn umfliegenden Vögel wendet, mit Baumwurzeln (statt Beinen) fest in der Erde verankert.

Ganz anders die Statue, die vor der Oberkirche der Basilika in Assisi steht: Sie zeigt Francesco Bernadone, der als gescheiterter Ritter heimkehrt. Es ist Franz, bevor er sein Leben umkrempelt. Wir starten aber unseren Rundgang nicht hier, sondern bleiben bis zur Endstation im Bus. Von oben her tauchen wir ein in das Universum von Assisi: eine Mischung von altem Städtchen und Wallfahrtsort.

Schon bald erreichen wir die Kathedrale San Rufino, die Bischofskirche der Diözese, zu der Assisi gehört. Hier wurden Franz und Klara getauft. Weiter geht es zum Marktplatz, der Piazza del Comune. Hier befand sich zu römischen Zeiten das Forum, von dem nichts mehr zu sehen ist. Im Gegensatz dazu der Tempel der Minerva: Er blieb teilweise erhalten und wurde zur christlichen Kirche Santa Maria sopra Minerva umfunktioniert.

Zu Lebzeiten von Franz durchlief die Kultstätte eine profane Phase: Die Stadt nutzte das Gebäude als Verwaltungssitz und Gefängnis. An der Fassade gleich neben den antiken Säulen hängt ein Banner mit einer Luftaufnahme des Amazonas im unverkennbaren Stil von Sebastião Salgado (siehe Bildnachricht auf dieser Seite). Es ist Erinnerung an das Engagement von Franziskus für die Schöpfung und Mahnung für uns, es ihm gleich zu tun.

Regula Vogt-Kohler