Geschlechterordnung: Klar, der Dorftratsch ist Männersache – und wie stehts mit dem Geschirrwaschen? | © mamarone/pixelio.de
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29.08.2019 – Hintergrund

Pigroni auf dem Zeltplatz und Gender auf Lehramtskatholisch

Kritische Anmerkungen der Theologin Béatrice Bowald zum Gender-Dokument der römischen Bildungskongregation

Pigroni ist nicht der Name eines weiteren Krimikommissars, sondern meine wenig schmeichelhafte Bezeichnung für die Gruppe Männer auf einem italienischen Zeltplatz, von denen mir eine Bekannte erzählt hat. Als ihr Ehepartner am Geschirrwaschen war, kam eine Gruppe italienischer Männer und hiess ihn, sofort das Feld zu räumen. Sie fragen sich, weshalb? – Damit ihre Frauen nicht auf die Idee kämen, sie von nun an zum Geschirrwaschen zu schicken. Schlaue Faulpelze (auf Italienisch: pigroni) – oder gut Lehramtskatholisch: Geschlechterordnung muss sein!

 

«Natürliche Ordnung» der Familie

Im Juni dieses Jahres hat die katholische Bildungskongregation folgendes Schreiben veröffentlicht: «‹Männlich und weiblich erschuf er sie› – auf einen Weg des Dialogs über die Frage der Gender-Theorie in der Bildung». Anlass dafür ist nach ihren Angaben eine Krise im Erziehungs- und Bildungswesen, welche hauptsächlich den Bereich der Affektivität (das heisst des Gefühlshaushalts) und der Sexualität betreffe. Konkret sieht die Bildungskongregation eine falsche Orientierung in Bezug auf die Anthropologie (die Lehre vom Menschen) am Werk, die zu einer De­stabilisierung der Institution Familie geführt ­habe. Anthropologische und Gendertheorien hätten zum Verständnis einer frei wählbaren Sexualität geführt und damit verbunden zu entsprechenden Entwicklungen in der Sexualpädagogik und der Gesetzgebung (ohne dass sie es beim Namen nennen, ist insbesondere an «Ehe für alle» zu denken).

Dem setzt die Bildungskongregation eine christliche Sicht der Anthropologie entgegen, die von einer in der Natur angelegten Differenz von Mann und Frau ausgeht, die auf Gegenseitigkeit und Komplementarität (das heisst die beiden Geschlechter ergänzen sich) angelegt ist. Dazu gehört die Vorstellung einer natürlichen Ordnung der Familie, die als Struktur und Zielbestimmung unabhängig von persönlichen Präferenzen der Ehegatten existiert.

Kommentar: Passt gut zu den Pigroni auf dem Zeltplatz. Darum ja nichts an der Komplementarität ändern, sonst ist es mit der Bequemlichkeit dahin. Ob sie es aber denkerisch einsichtig fänden, dass sie als Paar eine natürliche Ordnung vollziehen bzw. vollziehen müssen (andernfalls würden sie nach vatikanischer Lesart ihrem Menschsein nicht gerecht)?

 

Zwei Geschlechter, sonst nichts

Die Bildungskongregation steht Phänomenen wie gleichgeschlechtliche Neigung und Transgender-Menschen kritisch gegenüber und führt sie auf die Gendertheorie zurück, welche zwischen Sex und Gender unterscheide und dabei Gender als den bestimmenden Teil betrachte. In der Konsequenz würde Sexualität zur freien Wahl, losgelöst vom eigenen männlichen oder weiblichen Geschlecht. Dementsprechend lehnt die Kongregation Konzepte wie Transgender oder drittes Geschlecht ab und spricht sich für eine medizinische Korrektur in Fällen von Intersexualität aus.

Kommentar: Kein Wort darüber, dass Letzteres hoch problematisch ist und deswegen seit Längerem diskutiert wird. Hauptsache, ihre Vorstellung von Zweigeschlechtlichkeit bleibt gewahrt.

 

Feste Vorstellung von «weiblichen Werten»

Positiv hingegen beurteilt die Bildungskongregation bei Erziehungsprogrammen das Anliegen, Diskriminierungen zu bekämpfen und den Respekt Menschen gegenüber ungeachtet jeglicher Differenz zu fördern. Dies relativiert sie aber gleich wieder mit ihrer Kritik an den Hintergrundannahmen zur Sexualität und den gesetzlichen Entwicklungen.

Ebenfalls positiv wertet die Kongregation ein anthropologisches Verständnis, das weibliche Werte hervorhebt. Als Beispiel dafür nennt sie die Fähigkeit der Frauen, auf die Mitmenschen einzugehen, was menschliche Beziehungen und spirituelle Werte bereichere. Frauen hätten auch eine einzigartige Fähigkeit, mit der Realität umzugehen, weshalb sie widrigste Umstände aushalten, das Leben aufrechterhalten und den Blick in die Zukunft richten könnten.

Kommentar: Das mit den weiblichen Werten würde den Pigroni gefallen. Dumm nur, dass eine solche Argumentation zum Himmel stinkt. Denn hier wie im gesamten Schreiben wird wie eh und je in vatikanischen Schreiben nur auf päpstliche Lehrschreiben, Schreiben von Kongregationen und andere vatikanische Verlautbarungen Bezug genommen. Sich ohne richtige Argumentation zu wiederholen macht aber eine Sache nicht richtiger. Dass die zölibatären Verantwortungsträger ihre Vorstellungen über die geschlechtstypische Ausprägung des Menschseins dauernd anhand des weiblichen Geschlechts ausfalten, ist entlarvend.

 

Belehrende Haltung zur Sexualität

Die Bildungskongregation untermauert ihre Sicht mit verschiedenen Argumenten. So stützt sie sich unter anderem auf griechische und römische philosophische Traditionen, die von einem Wesen des Menschen sprechen. Sie zieht auch die Überzeugung heran, dass das Ich am Du wird, oder verweist auf die physiologische Komplementarität der Geschlechter, die Voraussetzung für die Fortpflanzung sei. Theologisch bezieht sie sich auf die Schöpfungsberichte.

Kommentar: Die von der Bildungskongregation aufgeführten Argumente entsprechen einmal mehr nicht dem aktuellen Stand der Diskussion. So lassen sich der Rückgriff auf ein Wesensdenken und ihre Interpretation der Schöpfungsberichte nicht halten, was hier aber nicht ausgeführt werden kann. Dass das Ich am Du wird, ist anerkannt, setzt hingegen keine Komplementarität der Geschlechter voraus.

Statt sich mit Erkenntnissen aus den Humanwissenschaften zur sexuellen Entwicklung auseinanderzusetzen, beisst sich die Bildungskongregation an einem Feindbild von Gendertheorie fest und legt einmal mehr eine belehrende Haltung in Sachen Sexualität an den Tag. Nach all den Missbrauchsgeschichten und den dadurch angestossenen Diskussionen ist das unverständlich und spätestens 2019 völlig deplatziert. Einmal mehr eine verpasste Chance, Menschen in ihrer Situation lebensdienlich zu begleiten.

Daher bleibt den Herren der Schöpfung, ob auf dem Zeltplatz oder im Vatikan, nur eines: an die Arbeit!

Béatrice Bowald