Hans Küng 2008 bei einem Gottesdienst in seiner Heimatpfarrei Sursee. | © CH Media/Chris Iseli
Hans Küng 2008 bei einem Gottesdienst in seiner Heimatpfarrei Sursee. | © CH Media/Chris Iseli
19.04.2021 – Aktuell

Evangelium ist wichtiger als die Kirche

Erinnerungen an Hans Küng: Es ging ihm darum, echte Reformen anzustossen

Hans Küng lehnte das Etikett des Rebellem ab und sah sich selbst als kritischen Reformtheologen. Seine Theologie sei auf die Seelsorge ausgerichtet gewesen, sagt sein Jugendfreund Gerold Beck, der mit Küng das Zweite Vatikanische Konzil miterlebt hat.

In den 1960er-Jahren herrschte in Rom Aufbruchsstimmung und mittendrin waren auch zwei Männer aus Sursee: Gerold Beck und Hans Küng. Beck begann gerade sein Theologiestudium, als Papst Johannes XXIII. das Zweite Vatikanische Konzil ausrief. Im Interview mit kath.ch erinnert sich der heute 84-Jährige lebhaft an die damalige Zeit: «Alle gescheiten Theologen, von Joseph Ratzinger bis Karl Rahner, versammelten sich dort. Mit denen konnten wir jeweils in den Kaffeepausen diskutieren. Das war toll! Und dann habe ich miterlebt, wie Hans zum theologischen Berater beim Konzil wurde.»

Der sieben Jahre ältere Küng hatte sich bereits einen Namen gemacht als Reformtheologe. Seit 1960 war er Professor für Fundamentaltheologie an der Universität Tübingen, doch sei er kein abgehobener Theologe, sondern ein Praktiker gewesen, sagt Beck. «Seine Theologie war auf die Seelsorge ausgerichtet. Man hatte sowieso immer den Eindruck, er sei ein Seelsorger. Mit seiner Theologie hat er uns Priestern geholfen, zu den Leuten zu kommen.»

«Eine Kirche, die à jour ist»

Küng habe eine erneuerte Kirche gewollt, eine Kirche für heutige Menschen, eine Kirche, die à jour ist, hält Felix Gmür, Bischof von Basel und Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, in seinem Nachruf fest. «Er kämpfte für eine Kirche, die sich mit den Lebenswelten, so wie sie sind, und mit der Welt, so wie sie ist, auseinandersetzt.»

Urban Federer, Abt des Benediktinerklosters Einsiedeln, erinnert an ein Grundanliegen, das Küng der Klostergemeinschaft beim letzten Besuch 2011 mitgegeben habe: «Es geht darum, die uralte Botschaft von Gott und seinem Christus in immer wieder neuen Zeiten zu verkünden, aber dabei nicht einfach nur die alten Formeln zu gebrauchen, sondern sie so in der heutigen Sprache der Menschen zu erklären, dass ihre Botschaft auch wirklich glaubwürdig und verständlich ist.»

«Seht auf Jesus Christus!»

Küng störte sich an Etiketten wie «Kirchenkritiker» und «Kirchenrebell». «Ich sehe mich als kritischen Reformtheologen», sagte er in einem Interview mit CH Media 2013. «Ihm ging es einfach darum, echte Reformen anzustossen», sagt der Schweizer Theologe Urs Baumann, emeritierter Professor für Ökumenische Theologie an der Universität Tübingen. Die Frage von kath.ch, welcher Satz Küngs ihm in Erinnerung bleibe, beantwortet Baumann so: «Seht nicht gebannt wie das Kaninchen vor der Schlange auf die römische Kirche, sondern auf das Evangelium! Seht auf Jesus. Das Evangelium ist wichtiger als die Kirche!»

Es habe Küng zu schaffen gemacht, dass die vatikanische Glaubensbehörde ihn nie rehabilitiert habe, hält Odilo Noti, Präsident der Stiftung Weltethos Schweiz, fest. Umso mehr verlange es Bewunderung und Respekt ab, dass er sich durch die römischen Repressalien nicht habe brechen lassen. Der unerschütterliche Glaube an Jesus Christus sei Küngs Triebfeder für seine enorme Schaffenskraft gewesen, schreibt Felix Gmür. Die Selbstverständlichkeit, mit der Küng trotz allen Ringens positiv zum Papsttum gestanden sei, habe ihn manchmal überrascht. «Mit Franziskus fiel ihm das leichter als mit dessen Vorgängern.»

Regula Vogt-Kohler