19.12.2019 – Editorial

Zeit zu reden

Haben Sie Ihren Weihnachtsbaum schon gekauft? Für welche Variante haben Sie sich entschieden? Oder haben Sie beschlossen, angesichts der Klimakrise auf die Tanne in der Stube zu verzichten? Sie fragen sich, ob es wirklich angebracht ist, nicht nur vom einigermassen harmlos klingenden Klimawandel zu reden, sondern von einer eigentlichen Krise mit dem Potenzial einer die Menschheit als Ganzes bedrohenden Katastrophe?

Ja, der Sommer war ungewöhnlich warm oder besser gesagt heiss, aber der November fühlte sich doch wie ein klassischer November an – oder? Dieser Eindruck täuscht nicht, aber auch dieser eher ungemütliche Monat war im Vergleich zur Norm von 1981–2010 zu mild, wenn auch mit 0,3 Grad landesweit nur wenig. Für den Herbst 2019 als Ganzes gilt: sehr mild. Seit Messbeginn 1864 verzeichnete die Schweiz in diesem Jahr den sechstwärmsten Herbst. Ist das schlimm?

«Es ist schlimmer, viel schlimmer, als man denkt. Die Langsamkeit des Klimawandels ist ein Märchen, vielleicht so hartnäckig wie jenes, das besagt, dass es ihn überhaupt nicht gibt.» So beginnt das Buch «Die unbewohnbare Erde. Leben nach der Erderwärmung» von David Wallace-Wells. Der amerikanische Journalist beschreibt ebenso eloquent wie drastisch, wie das Leben in seinen verschiedenen Facetten auf einer sich immer mehr erwärmenden Erde aussieht. Selbst wenn es bei den maximal zwei Grad der Pariser Klimakonferenz von 2015 bleibt, bedeutet dies, dass die Veränderungen gegenüber dem, was bis vor rund einer Generation als normal galt, deutlich spürbar sind.

Wie jüngste Ereignisse zeigen, stecken wir schon mittendrin. Buschbrände riesigen Ausmasses haben die Feinstaubbelastung in der australischen Millionenstadt Sydney in akut gesundheitsgefährdende Höhen getrieben. Vor diesem Hintergrund ist es umso unverständlicher, dass Australien bei der mit einem Minimalkompromiss zu Ende gegangenen Klimakonferenz in Madrid zu den Bremsern gehörte.

Das im Moment reichlich utopisch erscheinende Ziel einer CO2-neutralen Schweiz bis 2050 lässt uns erahnen, dass wir eine gewaltige Umstellung zu bewältigen haben. Was können wir persönlich dafür tun? Und wie lassen wir uns zum Handeln motivieren? Die von den Hilfswerken Fastenopfer und Brot für alle lancierten Klimagespräche sollen durch Auseinandersetzung mit den eigenen Widerständen und dem Austausch in der Gruppe helfen, das Gefühl der Machtlosigkeit zu überwinden und den Lebensstil zu ändern.

Regula Vogt-Kohler