01.07.2021 – Editorial

Wo predigt Helvetia?

In einem Monat begeht die Schweiz ihren Bundesfeiertag. Zu feiern hat unser Land viel. Wenn nicht den Titel eines Europameisters im Fussball, dann doch das Glück, nach bald anderthalb Jahren der Corona-Pandemie wieder freier atmen zu dürfen. Zumindest ausserhalb von Innenräumen müssen wir seit Ende Juni keine Masken mehr tragen. Versammlungen von bis zu 1000 Personen sind wieder möglich, unter freiem Himmel steht auch der Abgabe von Speis und Trank nichts entgegen. Mit etwas Wetterglück kann es stimmungsvolle 1.-August-Feiern geben. Das gemeinsame Singen des Schweizerpsalms ist erlaubt!

Dieses Jahr fällt der 1. August auf einen Sonntag. Und es sind 50 Jahre her seit der Einführung des Frauenstimmrechts, das jahrzehntelang die Sache von vielfach angefeindeten Vorkämpferinnen war, dann aber in der Männer-Abstimmung vom 7. Februar 1971 wie eine Lawine zum Durchbruch kam. Dieses Ergebnis sollte uns alle ermutigen, denn es beweist: Veränderung ist möglich. Ohne Zwang und Gewalt, sondern durch Wandel in den Köpfen – um den Preis, dass es Mut und Ausdauer braucht. Das ist die Botschaft an uns.

Aus Anlass des halben Jahrhunderts Frauenstimmrecht in der Schweiz ruft die ökumenische Aktion «Helvetia predigt!» reformierte Kirchgemeinden, christkatholische und römisch-katholische Pfarreien dazu auf, die Predigt in den Sonntagsgottesdiensten am 1. August 2021 Frauen zu übertragen. Das scheint mir die richtige Art, das Frauenstimmrecht zu würdigen: Auf die Stimme von Frauen zu hören.

Im Bistum Basel, wie auch in andern Bistümern der Schweiz, stehen Frauen als Pfarreiseelsorgerinnen, Gemeindeleiterinnen und Pastoralraumleiterinnen im Dienst der Kirche. Welche Bedeutung das hat, machen uns die Worte von Valentine Koledoye bewusst, der aus Nigeria stammt, in den USA und Rom studierte, 2008 als Seelsorger in die Schweiz kam und seit 2020 Bischofsvikar für Basel-Stadt, Baselland und Aargau ist: «In der Schweiz war es für mich ein Schock, als ich zum ersten Mal einer Frau begegnete, die predigte oder eine Gemeinde leitete. Heute bin ich selbst der Ansicht, es sei Zeit, Frauen zu Priesterinnen zu weihen. Ich glaube, ohne Frauen kommt die Kirche nicht weiter.»

Auch in Schweizer Kirchen sind katholische Predigerinnen noch immer die Ausnahme, viele Pfarreien hören selten oder nie eine Frau predigen. Darum ist der Aktion «Helvetia predigt!» eine grosse Breitenwirkung zu wünschen. Wie sieht es in Ihrer Pfarrei aus, predigt Helvetia bei Ihnen?

Christian von Arx