Sandra Rupp Fischer beim Festakt zum Auftakt cantars 2015 in Basel. | © André Albrecht
Sandra Rupp Fischer beim Festakt zum Auftakt cantars 2015 in Basel. | © André Albrecht
11.06.2020 – Aktuell

«Wir werden immer singen!»

Kirchenmusikerin Sandra Rupp Fischer freut sich auf die Wiederaufnahmen der Probenarbeit

Darf in den Gottesdiensten nun wieder gesungen werden oder nicht? Für die Chorleiterin Sandra Rupp Fischer, Mitglied im Vorstand des Schweizerischen Katholischen Kirchenmusikverbandes, ist beim Gemeindegesang und in den Kirchenchören der empfohlene Abstand wichtig.

Frau Rupp Fischer, wie gefährlich ist das Singen in den Kirchen?

Sandra Rupp Fischer: Ich bin nicht Wissenschafterin. Nach meiner persönlichen Einschätzung sollte das Singen nicht gefährlicher sein als das Sprechen mit einer gewissen Emotionalität. Welche Rolle Aerosole und Tröpfchen für eine Ansteckung effektiv spielen, müssen Fachleute sagen.

Die örtlichen Leitungen müssen den Einsatz von Chören und den Gemeindegesang verantworten. Wie haben Sie sich für den Pfingstgottesdienst entschieden?

Vom Marienchor Olten hat an Pfingsten eine Vorsängergruppe mit neun Personen auf der Empore verteilt gesungen. Das Volk sang kurze Antwortrufe und ein einziges Strophenlied, nämlich: «Der Geist des Herrn erfüllt das All».

Wann dürfen wir in den Gottesdiensten wieder nach Herzenslust singen?

Einen Zeitpunkt kann ich nicht nennen. Zurzeit ist unerlässlich, dass der Abstand von mindestens zwei Metern, gemäss Verband Musikschulen Schweiz sogar von drei Metern eingehalten wird, dass bei den Eingängen die Hände desinfiziert werden und die Personen zu den vorgesehenen Plätzen gewiesen werden. Ich vertraue den Fachleuten, dass dies die nötige Sicherheit bietet.

Was braucht es, damit die Kirchenchöre wieder proben können?

Im Moment ist ein voller Choreinsatz im Gottesdienst gar nicht möglich, weil es relativ wenige Plätze in den Kirchen gibt und weil wir lange Zeit nicht proben konnten. Somit ist es bis zur Sommerpause gut möglich, in kleinen Gruppen zu proben. Wir halten uns an die Abstände und führen Präsenzlisten. Kirchenchöre haben den Vorteil, dass sie sehr grosse Räume zur Verfügung haben, wo der Abstand kein Problem ist. Der Vorstand des Schweizerischen Katholischen Kirchenmusikverbandes hat ein Konzept erarbeitet, das er den Kirchenchören als Empfehlung zur Verfügung stellt. Für den Pastoralraum Olten haben wir ein eigenen Schutzkonzept für die Chorarbeit erstellt.

Wann werden die Kirchenchöre die Gottesdienste wieder wie gewohnt mitgestalten können?

Ich hoffe, dass sich die Situation im Verlauf des Herbstes normalisieren wird. Es braucht Vertrauen, damit das normale gesellschaftliche Leben wieder einsetzt. Offen bleibt die Frage: Kommen unsere älteren Sängerinnen und Sänger überhaupt zurück – oder haben sie zu grossen Respekt?

Wie geht es konkret in Ihrem Chor weiter?

Im Marienchor beginnen wir am Montag, 8. Juni, wieder mit der Probenarbeit. Bis wir aber wieder wirklich mit allen 62 Sängern/innen singen werden, wird es wohl noch eine Weile dauern. Ich hoffe, dass wir am Patrozinium vom 15. August einen Choreinsatz haben werden. Warten wir ab, wie die Entwicklung weitergeht und wann der Bund weitere Schritte der Öffnung zulassen kann.

Was fehlt in einem Gottesdienst, wenn nicht gesungen werden darf?

Da fehlt ganz viel! Gibt es ein Fest ohne Singen? Eine Geburtstagsparty ohne «Happy Birth­day», ein Fussballspiel ohne Fangesang? Gottesdienste sind für uns ein Fest, oder sollten zumindest eines sein. Das Singen schafft ein Gemeinschaftsgefühl, es ermöglicht allen, sich an der Liturgie zu beteiligen. Miteinander singen ist Ausdruck unserer Religiosität – Weihnachten ohne «Stille Nacht» oder «O du fröhliche» können wir uns kaum vorstellen. Selbstverständlich hat die Gesundheit Vorrang. Aber man wird der Gesellschaft nicht für lange Zeit das gemeinsame Singen verbieten können. Wir Menschen werden immer singen!

Interview: Christian von Arx

 

Sandra Rupp Fischer (Attiswil BE), Musikpädagogin, Kirchenmusikerin und Kulturmanagerin, ist seit Jahrzehnten in der Kirchenmusik engagiert: Als Leiterin des Marienchors Olten, Initiantin und Projektleiterin des ökumenischen Kirchenklangfests cantars (2011, 2015 und 2021), Mitarbeiterin des Liturgischen Instituts in Fribourg (zuständig für Kirchenmusik) und Vorstandsmitglied des Schweizerischen Katholischen Kirchenmusikverbandes (SKMV). Von 2003 bis 2015 war sie die erste Direktorin des Kirchenmusikverbands des Bistums Basel. Zudem ist sie die Schulleiterin der Musikschule Olten. cva