Werner Arber vor dem Biozentrum in Basel. | © wikimedia/Jane Gitschier, University of California, San Francisco
Werner Arber vor dem Biozentrum in Basel. | © wikimedia/Jane Gitschier, University of California, San Francisco
21.02.2019 – Aktuell

«Wir sollten für Millionen von Jahren denken»

Der Mikrobiologe Werner Arber sprach in Muttenz über Evolution und Schöpfung

Vielfalt durch stetige Veränderung und Stabilität: Die Natur bringt beides unter einen Hut. Zum Auftakt der neuen Themenreihe «Evolution und Schöpfung – Zwei Perspektiven?» des Ökumenischen Forums für Ethik und Gesellschaft Muttenz sprach Nobelpreisträger Werner Arber über «Evolution als permanente Schöpfung».

 

Evolution live: Stromatolithen (hier eine noch lebende Kolonie in Shark Bay, Westaustralien) gehören zu den ältesten Nachweisen für Leben auf der Erde. Sie sind das Produkt von Bakterien, die Gesteins­partikel binden. Weil diese speziellen Mikroorganismen als erste Fotosynthese betrieben und Sauerstoff in die Atmosphäre abgaben, sind sie die Grundlage für das Leben, wie wir es heute kennen. | © wikimedia/Paul Harrison

Zum Beginn des Lebens auf unserem Planeten sind aus wissenschaftlicher Sicht nach wie vor Fragen offen. So sei beispielsweise nicht klar, ob es einen einzigen Ursprung oder mehrere gebe, hielt Werner Arber in seinem Vortrag unter dem Titel «Evolution als permanente Schöpfung» fest. Sicher ist hingegen nach heutigem Wissensstand, dass es mit einzelligen Lebewesen begann. Zu unseren ältesten Vorfahren gehören Mikroorganismen wie Bakterien. Ohne sie gäbe es uns nicht, dies gilt in zweifacher Hinsicht. Sie waren die Basis, aus der sich die heutigen komplexen Ökosysteme entwickelt haben, und wir sind auf sie angewiesen, man denke nur an die Darmflora.

Die aktuelle Artenvielfalt ist nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht das Ergebnis eines einmaligen Schöpfungsaktes, sondern die Momentaufnahme eines unablässigen Entwicklungsprozesses, der Evolution. Diese wiederum wird durch genetische Variation am Laufen gehalten. Oder anders gesagt: Durch die Evolution entsteht die Schöpfung permanent. Die Erbinformation verändert sich durch Mutationen, aber auch durch horizontalen Austausch zwischen verschiedenartigen Lebewesen.

Weil es sich um einen langfristigen Vorgang handelt, vergehen lange Zeitspannen, bis Veränderungen sichtbar sind. Der Prozess ist deshalb im Verlauf eines Menschenlebens kaum wahrnehmbar. Die stetige Veränderung wird durch gleichzeitige Konstanz ausbalanciert. Da sich das Ausmass von genetischen Veränderungen in relativ engen Grenzen hält, ist die genetische Stabilität in Populationen gesichert.

Wissenschafter Arber schliesst eine schöpferische Komponente nicht aus. Leben kann nur entstehen, wenn die richtigen Voraussetzungen dafür bestehen. Wie aber kam es dazu? Der Mikrobiologe Arber bringt hier das christliche Konzept der Trinität ins Spiel. Gott Vater und der Heilige Geist könnten als nicht menschliche Gottheit für den Kosmos zuständig sein und die molekulare Basis für die Entstehung des Lebens geschaffen haben. Das sei eine Hypothese, sagte Arber, aber es gebe keine guten Gründe, dies einfach auszuschlies­sen.

Zur Frage aus dem Publikum, ob die Evolution als Entwicklung mit Plan, beispielsweise einem göttlichen, verstanden werden könnte, meinte Arber, dass es dafür keine Beweise auf naturwissenschaftlicher Basis gebe. Er gehe als Hypothese davon aus, dass die Evolution in Selbstorganisation abläuft, wenn die fundamentalen Partikel vorhanden sind.

Arber betonte in seinem Vortrag vor zahlreich aufmarschiertem Publikum im reformierten Kirchgemeindehaus Feldreben die Bedeutung der Artenvielfalt. Sie sei zentral für eine nachhaltige Evolution. Angesichts der Lebenserwartung der Erde von weiteren vier Milliarden Jahren ist für Arber klar: Wir sind für diesen unvorstellbar langen Zeitraum und nicht nur für die nächste Generation verantwortlich. «Wir sollten für Millionen von Jahren denken.» Es sei wichtig, dass wir zur Vielfalt Sorge tragen, sagt Arber. Jeder Verlust von Vielfalt sei ein Verlust von Erbinformation.

Regula Vogt-Kohler