Pater Damian De Veuster in einer 
Aufnahme von 1878 mit dem Mädchenchor in der Leprastation Kalaupapa auf der 
Insel Molokai. | © Henry L. Chase/Hawaii State Archives
Pater Damian De Veuster in einer Aufnahme von 1878 mit dem Mädchenchor in der Leprastation Kalaupapa auf der Insel Molokai. | © Henry L. Chase/Hawaii State Archives
11.04.2019 – Impuls

Johannes 10,11–15.18

Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe.

Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirt ist und dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen, lässt die Schafe im Stich und flieht; und der Wolf reisst sie und zerstreut sie. Er flieht, weil er nur ein bezahlter Knecht ist und ihm an den Schafen nichts liegt. Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe. Niemand entreisst es mir, sondern ich gebe es aus freiem Willen hin.                  

Einheitsübersetzung 2016

 

Wenn einer sein Leben hingibt …

Als Damian De Veuster am 10. Mai 1873 als erster Gesunder freiwillig die Hawaii-Insel Molokai betritt, kommt er nicht als Tourist. Er kommt nicht, um sich auf einer abgelegenen Insel vom Alltagsstress zu erholen und dann braungebrannt und neu gestärkt an seine bisherige Wirkungsstätte zurückzukehren. Vielmehr hat er sich wohl die Worte Jesu zu eigen gemacht: «Ich gebe mein Leben hin für die Schafe.»

Damian weiss genau, dass er nicht mit heiler Haut davonkommen wird. Denn Molokai ist eine Insel des Schreckens, eine Hölle mitten im Paradies, ein Ort, wo die Leprakranken der Hawaii-Inseln auf unmenschliche Art «entsorgt» wurden, wo die Kranken wie Müll an das Ufer der abgelegenen Insel gekippt wurden. Von ihr gibt es kein Zurück. Nach Molokai zu kommen, bedeutet: lebendig begraben zu werden.

Als der Bischof von Honolulu einen Seelsorger suchte für die Aussätzigen auf Molokai, meldete sich Damian: «Herr Bischof haben mich daran erinnert, dass ich am Tag meiner Ordensprofess in ein Leichentuch gehüllt wurde, um zu lernen, dass aus dem freiwilligen Tod neues Leben entspringt; daher bin ich bereit, mich lebendig zu begraben mit diesen Unglücklichen.» – «Wie alt sind Sie?» fragte der Bischof. – «33 Jahre. » – «So alt wie unser Herr in der Stunde des Kreuzes», erwiderte der Bischof.

Nachdem die ersten Berührungsängste überwunden waren, begann der Pater, sich um die Aussätzigen zu kümmern und begleitete sie auf ihrem Weg. Er scheute sich nicht, die Kranken zu berühren und mit ihnen zu essen: «Ich kann sie zwar nicht heilen wie der Herr, doch ich kann sie zumindest trösten.» Sein Dasein und Mit-Sein bedeutete Trost und Licht in der Dunkelheit. Das lateinische Wort con-solatio, Tröstung, drückt dies sehr schön aus, indem es die Vorstellung eines Mit-Seins in der Einsamkeit weckt, die dann keine Einsamkeit mehr ist … Durch Damians Wirken wurde aus der «Insel der Verdammten» eine menschliche Siedlung, in der die Würde der Ausgestossenen geachtet wurde.

So konnten die Aussätzigen seiner Predigt von der Liebe Gottes zu allen Menschen glauben. Diese Liebe, die uns gerade in der Karwoche wieder vor Augen geführt wird, wenn wir Jesus in seinem Leiden und Sterben betrachten. Er, der aus Liebe zu uns Mensch geworden ist und sein Leben hingegeben hat, damit wir das Leben haben.

Und es kam schliesslich, wie es kommen musste. Damian infiziert sich mit Lepra. Ende März 1889 konnte er sein Zimmer nicht mehr verlassen und erklärte: «Das ist das Ende, der Herr ruft mich, ich soll mit Ihm Ostern feiern.» Den Aussätzigen ein Aussätziger geworden, stirbt er am Montag der Karwoche, dem 15. April 1889, im Alter von 49 Jahren.

Der Apostel der Aussätzigen ist ein leuchtendes Beispiel dafür, dass die Liebe zu Gott uns nicht von der Welt trennen, sondern vielmehr dazu führen sollte, unsere Mitmenschen bis zur Gabe des eigenen Lebens zu lieben.

Nadia Miriam Keller, Theologin, ursprünglich Pflegefachfrau, arbeitet in der Pfarrei St. Odilia, Arlesheim