Blick auf die iranische Ruinenstätte Persepolis, die 520 v.Chr. von Darius, dem Nachfolger des Kyrus, als Hauptstadt des Perserreiches errichtet wurde. (Foto: Diego Delso, delso.photo, License CC-BY-SA)
Blick auf die iranische Ruinenstätte Persepolis, die 520 v.Chr. von Darius, dem Nachfolger des Kyrus, als Hauptstadt des Perserreiches errichtet wurde. (Foto: Diego Delso, delso.photo, License CC-BY-SA)
10.03.2018 – Impuls

2 Chronik 36,14–16.19–23

Die Chaldäer verbrannten das Haus Gottes, rissen die Mauern Jerusalems nieder, legten Feuer an alle seine Paläste und zerstörten alle wertvollen Geräte. Alle, die dem Schwert entgangen waren, führte Nebukadnezzar in die Verbannung nach Babel … bis das Reich der Perser zur Herrschaft kam.
… Im ersten Jahr des Königs Kyrus von Persien sollte sich erfüllen, was der Herr durch Jeremia gesprochen hatte. Darum erweckte der Herr den Geist des Königs Kyrus von Persien und Kyrus liess in seinem ganzen Reich mündlich und schriftlich den Befehl verkünden: «So spricht Kyrus, der König von Persien: Der Herr, der Gott des Himmels, hat mir alle Reiche der Erde verliehen. Er selbst hat mir aufgetragen, ihm in Jerusalem in Juda ein Haus zu bauen. Jeder unter euch, der zu seinem Volk gehört – der Herr, sein Gott, sei mit ihm –, der soll hinaufziehen.»

Einheitsübersetzung

 

Wann wird man je verstehn?

Ein Tipp: Suchen Sie im Anhang Ihrer Bibel die «Zeittafel» und dort in der Kolonne «Aus­serbiblische Daten» die Jahreszahl 550–330. Hier finden Sie vermutlich den Hinweis «Persische Zeit» und gleich darunter die Angabe «538–530: Kyrus von Persien erobert Babel und gründet das persische Weltreich unter der Dynastie der Achämeniden».

Dieser Kyrus erliess zu Beginn seiner Herrschaft ein Edikt. Dieses erlaubte den Juden, die 50 und 60 Jahre zuvor von den Chaldäern deportiert worden waren, heimzukehren in ihr Land, mit dem Auftrag, die vom babylonischen König Nebukadnezzar in Schutt und Asche gelegte Stadt Jerusalem und den zerstören Tempel Salomos wiederaufzubauen. Das theologisch geprägte jüdische Geschichtsverständnis (das Buch der Chronik ist hierfür ein schönes Beispiel) deutete die überraschende Verfügung des Perserkönigs als wunderbaren Eingriff Gottes in die Geschichte Israels, ein Ereignis von epochaler Bedeutung für die Entwicklung der hebräischen Religion und des jüdischen Gottesbildes. Um seinem Volk Recht widerfahren zu lassen und den mit ihm geschlossenen Bund zu aktivieren, wird Gott alle Hebel in Bewegung setzen; darum «erweckte der Herr den Geist des Königs Kyrus von Persien».

Im Nachhinein zeigt sich im Wirrwarr der Geschichte ein roter Faden, vielleicht, es werden Zusammenhänge sichtbar, die Worte des Propheten Jeremia, die 70 Jahre zuvor Aufruhr und heftigen Widerstand provoziert hatten, erweisen sich als wahrhaft prophetisch. Ursache und Wirkung fügen sich in der Rückschau zu einem Gesamtwerk, und der Glaube kommt zum Staunen nicht heraus: Gottes Treue ist phänomenal, und grenzenlos geduldig seine Hartnäckigkeit, wenn es darum geht, das Ziel zu erreichen: das Heil seines Volkes, die Rettung der Welt, die Vollendung für jeden Menschen. Wann wird man je verstehn?

Machen wir einen Sprung. Im Jahr 1971 lud der Nachkomme der Achämeniden, Schah Reza Pahlavi, Kaiser von Persien, die Schickeria der Welt, die Schönen und Mächtigen, zur grössten Party aller Zeiten nach Persepolis ein, die Ruinenstadt, die vor 2500 Jahren unter König Darius, dem Nachfolger des Kyrus, Hauptstadt des Perserreiches wurde. Die 10-tägige Jubiläumsfete mitten in der Wüste, Ausgeburt des Grössenwahns, war mit ein Grund, warum sich ein paar Jahre später Ayatollah Khomeini und die iranischen Mullas in der islamischen Revolution an die Macht putschten und den Schah zum Teufel jagten, ein Geschehen von historischer Tragweite, wie wir heute wissen. Nur dass darüber nichts in der Bibel steht.

Ausser wir ziehen das jüdische Erklärungsmuster zu Rate und gehen davon aus, dass Israel und Persien auch heute gegen allen Anschein eine gottgewollte Schicksalsgemeinschaft bilden, dass das Ganze einen Sinn hat, mag es in unserer grossen und in meiner kleinen Welt drunter und drüber gehen, mag permanent das Chaos ausbrechen, der Weltuntergang drohen, der Grössenwahn der Mächtigen sich ins Masslose steigern und der Menschen Bosheit so gross werden, dass es keine Heilung mehr gibt (auch dies eine Erfahrung Israels). Wann wird man je verstehn?

Peter von Sury, Abt des Benediktinerklosters Mariastein