27.09.2018 – Editorial

Vertrauen dank Transparenz

Weltweit wird die katholische Kirche von Berichten über sexuellen Missbrauch erschüttert. Die Erwartung, der Sturm werde bald vorüberziehen, wird sich nicht erfüllen. Im ­Gegenteil, solche Berichte werden uns noch aus vielen Ländern erreichen, wo die Kirchenleitungen bisher den Anschein wahren möchten, bei ihnen existiere dieses Problem nicht. Es hilft auch nicht, auf Vorfälle in anderen Organisationen zu zeigen. Jede Institution muss lernen, dem Missbrauch in den eigenen Reihen entgegenzutreten.

Jetzt wird in einer Pfarrei der Region Basel ein Priester zur Wahl als Pfarrer vorgeschlagen, den die Justiz einst wegen eines Übergriffs gegenüber einem unter 16-jährigen Jugendlichen bestraft hat. Der Verlauf dieser Wahl ist über die betroffene Pfarrei hinaus von Bedeutung. Es geht darum, wie die Kirche hier und heute mit dem Problem umgeht.

Eine richtige Einschätzung ist nur möglich, wenn die wesentlichen Umstände auf den Tisch kommen. Das haben wir in der letzten Ausgabe von «Kirche heute» versucht. Dabei wird deutlich, dass das Delikt «sexuelle Handlungen mit Kindern» eine grosse Bandbreite aufweist. Am einen Ende stehen schwerste Verbrechen mit lebenslangen Folgen für die Opfer. Dort hat der Schutz möglicher zukünftiger Opfer unbedingt Vorrang. Am anderen Ende stehen Grenzüberschreitungen, die nicht auf einer Veranlagung des Täters beruhen müssen, die weitere Übergriffe erwarten lässt.

Die vielzitierte Nulltoleranz taugt nicht in jedem Fall als Richtschnur. Die Realität des ­Lebens ist vielfältiger. Es muss möglich bleiben, dem Einzelfall gerecht zu werden. Bei der Be­urteilung werden die unterschiedlichen Sensibilitäten, zum Beispiel die von jungen Eltern, zum Ausdruck kommen.

Entscheidend ist das Vertrauen. Ist es überhaupt möglich, dass Pfarreiangehörige einem einschlägig Vorbestraften als Pfarrer vertrauen können? Sicher nicht, wenn sie merken, dass ihnen die heiklen Punkte verschwiegen werden. Die einzige tragfähige Basis ist es, wenn sie die Tatsachen kennen und den Eindruck gewinnen, dass der Betroffene zu seinem Fehler steht.

Ein derart belasteter Vorschlag für eine Pfarrwahl kann nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn die Wahrheit offengelegt wird. Darum müssen die Wahlbehörde und die Bistumsleitung es sich zur Aufgabe machen, in Abstimmung mit dem Kandidaten für die nötige Information zu sorgen. Ehrlichkeit und Transparenz sind oberstes Gebot. Damit das Klima frei wird für eine gute Seelsorge.

Christian von Arx