Sie freut sich, dass der Katechismus die Todesstrafe jetzt ohne Vorbehalt ablehnt: Helen Prejean (79), 
Ordensfrau der St.-Josephsschwestern und Vorkämpferin gegen die Todesstrafe in den USA | © Scott Langley/www.sisterhelen.org
Sie freut sich, dass der Katechismus die Todesstrafe jetzt ohne Vorbehalt ablehnt: Helen Prejean (79), Ordensfrau der St.-Josephsschwestern und Vorkämpferin gegen die Todesstrafe in den USA | © Scott Langley/www.sisterhelen.org
14.08.2018 – Aktuell

Und die Lehre wandelt sich doch

Der Katechismus lehnt die Todesstrafe jetzt eindeutig ab – ein Beispiel, wie die Kirche ihre Lehre entwickelt

Seit dem 2. August lehrt die katholische Kirche in ihrem Katechismus offiziell, dass «die Todesstrafe unzulässig ist, weil sie gegen die Unantastbarkeit und Würde der Person verstösst». Bisher hatte der Katechismus Hinrichtungen als äusserstes Mittel nicht ausgeschlossen.

In früheren Jahrhunderten hatten Päpste als Oberhäupter des Kirchenstaats ein ihrer Zeit entsprechendes unbefangenes Verhältnis zur Todesstrafe. Bis ins 19. Jahrhundert beschäftigten sie Scharfrichter; die letzte Exekution fand 1868 statt.

Ein deutliches Abrücken erfolgte erst nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965), als Paul VI. 1969 die Todesstrafe im Vatikanstaat abschaffte. Grundsätzlicher bezeichneten Johannes Paul II. (1978–2005) und Benedikt XVI. (2005–2013) die Anwendung der Todesstrafe als unnötig und traten für ihre allgemeine Abschaffung ein.

In der ersten Ausgabe des Katechismus von 1992 erkannte die Kirche allerdings noch das Recht und die Pflicht der Staatsgewalt an, «der Schwere des Verbrechens angemessene Strafen zu verhängen, ohne in schwerwiegendsten Fällen die Todesstrafe auszuschlies­sen». Laut einer überarbeiteten Fassung von 1997 musste «die Identität und die Verantwortung des Schuldigen mit ganzer Sicherheit feststehen»; ausserdem schloss «die überlieferte Lehre der Kirche» die Todesstrafe nur dann nicht aus, «wenn dies der einzig gangbare Weg wäre, um das Leben von Menschen wirksam gegen einen ungerechten Angreifer zu verteidigen».

Zum 25. Jahrestag des Katechismus im Oktober 2017 plädierte dann Papst Franziskus für eine bedingungslose Verurteilung der Todesstrafe. Dies setzt jetzt der erneuerte Artikel 2267 des Katechismus um: Nach dem am 2. August veröffentlichten Wortlaut ist «die Todesstrafe unzulässig», weil sie «gegen die Unantastbarkeit und Würde der Person verstösst». Weiter definiert das Grundbuch der katholischen Lehre, die Kirche setze sich «mit Entschiedenheit für deren Abschaffung in der ganzen Welt ein».

«Reifung des Gewissens der Kirche»

«Ein schönes Beispiel für die Reifung des moralischen Gewissens der Kirche», kommentiert Thierry Collaud den Schritt von Papst Franziskus. Für den Professor für Ethik an der Freiburger Theologischen Fakultät handelt es sich um eine organische Entwicklung, wie die Kirche schon andere erlebt hat. Vor der Todesstrafe hatten sich auch ihre Ansichten über Sklaverei, Demokratie oder sogar zinstragende Kredite entwickelt.

Sehr dankbar für die Entscheidung von Papst Franziskus zeigte sich die katholische Ordensfrau Helen Prejean, eine Symbolfigur der Bewegung zur Abschaffung der Todesstrafe in den USA. Sie betreute seit 1981 Todeskandidaten in Gefängnissen. Über ihre Erfahrungen veröffentlichte sie 1994 den Bestseller «Dead Man Walking», der erfolgreich verfilmt wurde.

kath.ch/cva