28.02.2019 – Editorial

Tun, was an uns liegt

Und nun: Was hat die Versammlung der Präsidenten der nationalen Bischofskonferenzen in Rom gebracht? Gemessen an den Anliegen, die die Synoden der Landeskirchen von Thurgau und Baselland Bischof Felix Gmür mitgegeben hatten, ist es eindeutig zu wenig. Eine Neubewertung der menschlichen ­Sexualität durch die kirchliche Lehre war kein Programmpunkt. Anzeichen, dass der Abgrund des Missbrauchs zur Aufhebung des Pflichtzölibats oder zur Öffnung des Priesteramts für die Frauen führen könnte, sind nicht in Sicht. Und nach dem heutigen Wissensstand sind so schnell auch keine grundlegenden Schritte zu einer Gewaltenteilung in der Kirche zu erwarten.

Überraschen kann dieser Befund nicht. Aber Jammern über Rom und die Weltkirche ist kein Argument, um nicht selbst zu handeln. Bei uns sind die Voraussetzungen dafür viel besser als in den meisten Ländern. In der Schweiz bestehen überall Strukturen für die demokratische Beteiligung des Kirchenvolks.

Die Bekämpfung des Missbrauchs in der Kirche ist keineswegs allein Sache der kirchlichen Hierarchie. Eine ebenso grosse Rolle müssen bei uns die Kirchgemeinden und die Landeskirchen übernehmen. Sie sind für die meisten kirchlichen Mitarbeitenden die Arbeitgeber und Anstellungsbehörden. Die Festlegung von Wahlvoraussetzungen, die Anordnung von Präventionsmassnahmen oder das Vorgehen bei Verdacht auf Missbrauch ist auch ihre Sache. Für sie muss es selbstverständlich sein, dass Verdachtsfälle den Justizbehörden gemeldet und gemäss dem staatlichen Recht behandelt werden. Wichtig ist, dass der Informationsfluss zwischen der staatskirchenrechtlichen und der pastoralen Seite der Kirche in beide Richtungen gewährleistet ist. Der Fall Riehen hat gezeigt, dass in diesem Punkt noch Bedarf für klare Regeln besteht.

Untersuchen, richten, strafen: Das soll nicht Sache der Kirche sein, diese Aufgaben kann sie bei uns dem Staat überlassen. Die Kirche soll helfen. Gerade im Umgang mit Menschen, die zu Opfern von Missbrauch gemacht wurden, kann die Kirche zeigen, dass sie sich am Vorbild Jesu orientiert. Auch für Mitarbeitende, die zu Tätern geworden sind, kann die Kirche nicht einfach jede Verantwortung abgeben. Ihnen ist nicht durch Verschweigen und Vertuschen geholfen, sondern – wenn möglich – durch fachlichen Rat und Hilfestellung zur Neuorientierung. Die Kirche kann auch heute den Respekt der Gesellschaft gewinnen, wenn sie zeigt, dass sie eine grössere Dimension im Auge hat als der Staat: die Liebe.

Christian von Arx