09.05.2019 – Editorial

Stimmungstest für die Kirchen

Am 19. Mai entscheidet Basel-Stadt über eine Änderung seines Steuergesetzes. Die Vorlage ist technisch: Sie schafft die Möglichkeit, dass der Kanton die Kirchensteuern veranlagen und zusammen mit den Kantonssteuern einziehen kann. Ein Verfahren, das fast alle Schweizer Kantone kennen. Es war bis jetzt eine baselstädtische Besonderheit, dass die Kirchen den Einzug ihrer Steuern separat organisiert haben.

Um weiterhin selber Steuern einziehen zu können, müssten die vier öffentlich-rechtlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften jetzt eine neue Software entwickeln und ein Steuerzentrum betreiben. Laut ihren Angaben würde das einmalig 880 000 Franken und danach jedes Jahr 850 000 Franken kosten. Wenn der Kanton alle Steuern einzieht, zahlen ihm die Kirchen eine Entschädigung. Diese Lösung ist günstiger. Zu Recht möchten die Kirchen ihre Mittel nicht für unnötigen Verwaltungsaufwand ausgeben.

Müsste das nicht auch jenen einleuchten, die selber keine Kirchensteuern zahlen? Basels Freidenkende und Atheisten sehen es anders: Sie haben 2741 Unterschriften gesammelt gegen die Änderung des Steuergesetzes, die der Grosse Rat mit 76:6 Stimmen beschlossen hatte. Weil ihnen jede Zusammenarbeit des Staates mit den Kirchen ein Dorn im Auge ist, geht die Vorlage für sie in die falsche Richtung.

Doch das Verhältnis von Kirche und Staat ist nicht im Steuergesetz geregelt, sondern in der Kantonsverfassung und im Kirchengesetz. Dort anerkennt der Kanton Basel-Stadt die evangelische, die katholische und die christkatholische Kirche und die jüdische Gemeinde als öffentlich-rechtliche Körperschaften und gibt ihnen das Recht, Steuern zu erheben. Er verlangt von ihnen, sich demokratisch zu organisieren, und stellt ihren Umgang mit den Steuergeldern unter seine Oberaufsicht. Damit anerkennt der Staat, dass die Tätigkeit der Kirchen auch im öffentlichen Interesse liegt. Das sind die politisch spannenden Grundsätze! Wer jetzt die Änderung des Steuergesetzes ablehnt, ändert daran nichts. Er erreicht nur, dass Kirchensteuergeld wirkungslos versickert.

Von den Mitgliedern der drei Kirchen und der Israelitischen Gemeinde ist darum eine Zustimmung zur Vorlage zu erwarten. Doch den Ausschlag geben die Konfessionslosen, die in der Stadt rund die Hälfte der Wohnbevölkerung ausmachen. Sehen auch sie in der Arbeit der Kirchen einen Sinn für die ganze Gemeinschaft? Die Abstimmung in Basel kann ein Test für die Stimmung gegenüber den Kirchen werden. Das Ergebnis interessiert auch im Rest der Schweiz.

Christian von Arx