06.08.2020 – Editorial

Flaschenpost von einem fernen Planeten

Italien ist unser Nachbarland. Wenige Länder liegen so nahe bei Rom wie die Schweiz. Aber was das Leben der Schweizer Katholikinnen und Katholiken betrifft, ist dieses Rom Welten von uns entfernt. So will uns die neuste Verlautbarung von dort wie eine Flaschenpost von einem fernen Planeten vorkommen.

Vieles ist seltsam an dieser Instruktion der Kongregation für den Klerus. Niemand weiss, was ihr Anlass ist. Irritierend ist der Aufbau: Im ersten Drittel tönt es befreiend gegen überholte Strukturen und Normen, «die uns in unnachsichtige Richter verwandeln»; es geht gegen die Klerikalisierung der Pastoral und darum, dass «die Kirche nicht nur Hierarchie, sondern Volk Gottes ist». Und dann kommt genau das Gegenteil: Vorrechte des Klerus, Zurückstufen von nicht Geweihten bis zu den Amtsbezeichnungen, alles gespickt mit Artikeln aus dem kirchlichen Gesetzbuch.

Es macht ratlos, dass dieses Dokument von Papst Franziskus gebilligt worden ist. Denn Inhalt wie Tonfall laufen all seinen Aufrufen, neue Wege zu suchen, keine Angst zu haben und die Mitarbeit der Laien zu fördern, um 180 Grad entgegen. Das wirft die Frage auf, ob der Papst die Kurie noch im Griff hat. Oder ob es den Gegnern seines Kurses jetzt gelingt, nach ein paar Franziskus-Zitaten genau das Gegenteil in kirchenamtliche Dokumente zu verpacken: Massregelung, Entmutigung, Klerikalisierung.

Enttäuschend ist vor allem die Grundhaltung der Kleruskongregation, sämtliche Ortskirchen mit einem Schwall von Vorschriften und Verboten disziplinieren zu wollen. Was für ein Misstrauen auch gegen die Bischöfe in aller Welt! Unerträglich für einen Schweizer Leser ist die obrigkeitliche Detailversessenheit der Verfasser: Sie wollen auch noch bestimmen, wann ein Kirchengebäude profaniert werden darf, und sie regeln Zusammensetzung und Stimmrecht in pfarreilichen Finanzgremien. Und das in einem Dokument der Weltkirche!

Gerne würde man dieses Elaborat einfach zu den Akten legen, auf den Friedhof all jener Erlasse, die keinerlei Bedeutung für unser kirchliches Leben haben. Aber es ist zu befürchten, dass dieser Text noch grossen Schaden anrichten kann in der Kirche Schweiz.

Vielleicht weckt er aber auch Mut. Zuversicht geben uns all jene Menschen, die sich Tag für Tag und Jahr für Jahr für unsere Kirche einsetzen, ungeachtet aller Knüppel, die man ihnen zwischen die Beine wirft: Pfarreiseelsorger, Gemeindeleiterinnen, Diakone, Priester, wir Getauften – miteinander, und nicht gegeneinander.

Christian von Arx