In der Rosentalanlage: Hier befand sich früher der Friedhof der Theodorskirche. Heute erinnert noch die Abdankungskapelle von Melchior Berri daran. | © Regula Vogt-Kohler
In der Rosentalanlage: Hier befand sich früher der Friedhof der Theodorskirche. Heute erinnert noch die Abdankungskapelle von Melchior Berri daran. | © Regula Vogt-Kohler
23.09.2021 – Aktuell

SchöpfungsZeit: Der Stadtnatur auf der Spur

Übungen für einen neuen Blick auf die Welt: spirituell-ökologischer Stadtspaziergang durch Basel

Wenn man «raus in die Natur» geht, bedeutet das meist auch, dass man «raus aus der Stadt» geht. Um die Natur überall, auch in der Stadt, zu sehen, braucht es eine neue Sichtweise. Im Rahmen eines Stadtspaziergangs unter dem Titel «Kunst-Ökologie-Glaube» gab es Gelegenheit zum Üben.

Stadt und Natur – ein Gegensatz? Sitzt man im Garten des Pfarrhauses der Basler Elisabethenkirche, ist man geneigt, die Frage mit Nein zu beantworten. Eher in Richtung Ja könnte es kippen, wenn man im tiefen Kleinbasel in Richtung Erlenmatt unterwegs ist. Wenn man die Sache in grösseren Dimensionen betrachtet, stellt sich die Frage gar nicht mehr. Natur ist überall, in sehr unterschiedlichen Formen. Die in unseren Häusern und Autos verbauten und tagtäglich verbrauchten Rohstoffe sind ebenso Natur wie die Bäume und Vögel im Park.

Das ändert nichts daran, dass wir mit unserer viele Ressourcen verschlingenden Lebensstil die natürliche Balance gefährden. «Wir treiben auf einen Abgrund zu, weil wir immer mehr wollen», sagte Martin Föhn, Verantwortlicher für Bildung und Spiritualität der Römisch-katholischen Kirche Basel-Stadt, beim Auftakt zum Stadtspaziergang. Angesichts der Klimakrise brauche es auch einen inneren Wandel. «Heute geht es darum, die innere Umkehr zu unterstützen.»

Die Wahrnehmung trainieren

Die rund 20 Teilnehmenden waren eingeladen, mit Übungen ihre Wahrnehmung zu trainieren. Zum Beispiel eine Pflanze oder ein anderes Objekt mit allen Sinnen betrachten. Schweigend Tram fahren und gehen, eine kurze Strecke im Schildkrötentempo. In einer Kirche zuerst auf die Geräusche ausserhalb, dann innerhalb des Gebäudes achten. Die Augen schliessen und sich von einer anderen Person führen lassen. Zu dritt gehen und einander erzählen, was man sieht. Begleitet respektive angeleitet wurde das Grüppchen durch die Blockflötistin Silvia Berchtold und die Tanz- und Bewegungstherapeutin Livia Kern.

So ging es von der grünen Gartenoase neben der Elisabethenkirche via Clarakirche zur Rosentalanlage. Hier, auf dem Areal eines früheren Friedhofs, sprach Markus Ritter, Biologe, früherer Grossrat der Grünen und langjähriger Generalsekretär des baselstädtischen Präsidialdepartementes, über die Geschichte der Stadtökologie.

Vieles hat sich im Verlauf der Zeit gewandelt, unter anderem auch die Bedeutung von öffentlichen Freiräumen. «Basel hat eine reichhaltige Umgebung», sagte Ritter. «Das können wir in der Stadt leben lassen, wenn wir das wollen.» Pärke habe man früher nicht wegen des Naturschutzes, sondern aus anderen Gründen gebaut. Naturschutz in der Stadt sei zu Beginn nicht auf ungeteilte Zustimmung gestossen.

Ein politischer Prozess

Wie «leben lassen in der Stadt» konkret aussehen kann, zeigt das Beispiel Erlenmatt. Grosse Teile der Grünflächen des neuen Quartiers auf dem ehemaligen Güterbahnhof der Deutschen Bahn sind Naturschutzzonen. «Hier wachsen Blumen, die selbst Spezialisten nicht kennen», sagte Ritter. Die Artenvielfalt ist gross, auch spezialisierte Heuschrecken tummeln sich hier. Entscheidend sei, dass sich die Pflanzen und Tiere vermehren können. Mit der gestalterischen Umsetzung ist Ritter allerdings weniger glücklich. Was tun, um alle Bedürfnisse unter einen Hut zu bekommen? «Aushandeln, was wir wollen und wie wir es umsetzen», meinte Ritter. «Das ist ein politischer Prozess. Wer zu vornehm ist für die Politik, der ist nicht dabei.»

Zu berücksichtigen gilt es auch den Aspekt der sozialen Gerechtigkeit. Wer in verschiedenen Stadtquartieren unterwegs ist, nimmt frappante Unterschiede bezüglich Ausstattung mit grünen Freiräumen und Belastung durch Lärm und Abgase wahr. Auf globaler Ebene sind jene, die am wenigsten dazu beitragen, am meisten von den negativen Folgen der Klimakrise betroffen.

Die SchöpfungsZeit dauert noch bis zum 4. Oktober, dem Gedenktag des heiligen Franz von Assisi. Noch bis dahin ist der Kreuzweg der Schöpfung im Innenhof der Kirche St. Marien in Basel täglich von 10-17 Uhr zugänglich. Weitere Veranstaltungen gibt es auf www.rkk-bs.ch.

Regula Vogt-Kohler

 

Ein grosser Teil der Grünanlagen im Basler Quartier Erlenmatt sind Naturschutzzonen, wo seltene Tiere und Pflanzen leben.  | © Regula Vogt-Kohler
Wenn man genau hinschaut, sieht man sie: die Heideschnecken mit den gestreiften Häuschen. Die Tiere leben an trockenen, exponierten Orten wie Strassenränder und Bahndämme. | © Regula Vogt-Kohler
Markus Ritter (ganz l.) erzählt davon, wie es gelang, in der Erlenmatt Lebensräume für seltene Tiere und Pflanzen zu erhalten. | © Regula Vogt-Kohler