24.03.2018 – Editorial

Schwieriges Erbe

Der Abbruch war beschlossen, das für den Rückbau verpflichtete Unternehmen war bereit, zum geplanten Termin mit den Arbeiten zu beginnen. Eine Stimmrechtsbeschwerde hat nun in fast letzter Sekunde vorerst verhindert, dass der ohne Diskussion gefällte Beschluss des Gemeindeparlamentes umgesetzt werden kann. Und so steht sie nach wie vor unangetastet da, die in die Jahre gekommene Turn- und Konzerthalle (TuK) in der Basler Vorortsgemeinde Allschwil.

Für die Abbruchgegner ist die TuK auch «Frage des Kulturerbeschutzes», so lautet der Titel eines Leserbriefs im Lokalblatt. Und in einer weiteren Zuschrift äussert ein Allschwiler die Hoffnung, die TuK könnte als ein Ort der Begegnung für Jung und Alt, für Einheimische und Zugezogene und nicht zuletzt für Menschen anderer Kulturen und Religionen erhalten bleiben.
Die Allschwiler TuK ist mehr als einfach ein Zweckgebäude. Viele Allschwiler und Allschwilerinnen haben darin geturnt, ob in der Schule oder im Verein, viele Anlässe sind in der Halle über die Bühne gegangen, die TuK ist ein Teil(chen) des Lebenspuzzles vieler. Die emotionale Verbundenheit verändert den Blick, dazu kommt noch die architektonische Bedeutung.

Das Beispiel illustriert, dass Kulturerbe nicht etwas Abstraktes, sondern etwas individuell Erlebbares ist, wie es auf «kulturerbe2018.ch», der Internetplattform der Kampagne für das Kulturerbejahr in der Schweiz, heisst. Das Beispiel zeigt auch, dass Kulturerbe nichts Statisches ist, sondern sich durch die Menschen ständig verändert. Und nicht zuletzt ist die TuK ein Zeugnis dafür, dass Kultur ein schwieriges Erbe sein kann.

Es dürfte allein aus Gründen der Praktikabilität unbestritten sein, dass nicht alles, was je an kulturellen Werten erschaffen worden ist, für die Ewigkeit erhalten werden muss. Nicht alles, was ein gewisses Alter erreicht hat, ist automatisch schützenswert. Im Umgang mit Kulturerbe gilt es unbequeme Fragen zu beantworten, Prioritäten zu setzen, auch Abschied zu nehmen. «Ebenso steht die Gesellschaft dauerhaft in der Pflicht, einen Umgang mit dem Kulturerbe zu finden, der nachfolgenden Generationen Handlungsspielräume lässt», heisst es dazu auf «kulturerbe2018.ch».

Die erste Voraussetzung dafür ist aber, dass man sich überhaupt der Bedeutung unseres kulturellen Erbes bewusst wird. Stellen Sie sich doch einfach mal Ihren Wohnort ohne Kirchturm vor.

Regula Vogt-Kohler