P. Bruno Stephan Scherer (1929–2017) in seiner Mariasteiner Mönchszelle. (Foto: P. Armin Russi, Kloster Mariastein)
P. Bruno Stephan Scherer (1929–2017) in seiner Mariasteiner Mönchszelle. (Foto: P. Armin Russi, Kloster Mariastein)
02.06.2018 – Hintergrund

«Nicht gesehn, nicht genannt …»

Schreiben im Kloster: Ein Schlaglicht auf schreibende Nonnen und Mönche

Im Mittelalter waren sie Brutstätten kreativer Geister. Sind unsere Klöster auch heute noch Stätten, wo Literatur und Kunst entstehen?

Die neuste Ausgabe der Schweizer Literaturzeitschrift «Orte» zeigt, dass auch im 21. Jahrhundert hinter Klostermauern Dichterinnen und Künstler am Werk sind – zumeist abseits des Medienbetriebs. Umso verdienstvoller, dass «Orte» drei Nonnen und drei Mönche aus Schweizer Klöstern vorstellt, die seit Jahrzehnten künstlerisch tätig sind oder waren.

Der am 11. August 2017 verstorbene Benediktinerpater Bruno Stephan Scherer, geboren 1929 in Gretzenbach, war 1949 ins Kloster Mariastein eingetreten. Als Lyriker blieb er der Natur und seiner Heimat im solothurnischen Niederamt verbunden. «Mit den Flocken / falle ich / aus stolzen Höhn / ins reine Weiss / der Demut hin», heisst es im Gedicht «Winter im Noviziat». «Eine Flocke / unter vielen, / nicht gesehn, / nicht genannt, / eine Flocke / in der Nacht». Ein Sinnbild für das einsame Schreiben im Kloster? Nicht unbedingt für Bruno Stephan Scherer, der als Lyriker durchaus Anerkennung fand und unter anderem mit dem Preis für Literatur des Kantons Solothurn (1990) ausgezeichnet wurde.

Die bekannteste unter den sechs Porträtierten ist Silja Walter, geboren 1919 in Rickenbach SO. Sie wurde 1948 Benediktinerin und schuf während über 60 Jahren im Kloster Fahr AG ein umfangreiches literarisches Werk, bis zu ihrem Tod im Jahr 2011. Ihre Gedichte sind oft an Gott gerichtet, persönlichen und direkt. So liest man bei ihr: «Ich sitze / versteckt im Haselgebüsch / und / wisch mir den Mund / von der Sucht / nach der sündigen Frucht.»

Schwester Domenica Dethomas (*1944), Priorin des Frauenklosters St. Johann in Müstair, schreibt in ihrer Muttersprache Romanisch, ein von ihr selbst auf Deutsch übersetztes Gedicht ist in beiden Sprachen abgedruckt. Eine witzige, konkrete, aber vielschichtige Sprache erklingt in den Gedichten von Pater Eugen Bollin (*1939) vom Kloster Engelberg. Schwester Monika Thumm (*1952), Äbtissin der Zisterzienserinnenabtei Mariazell Wurmsbach in Rapperswil-Jona, gibt im Interview Auskunft über Schaffen als Komponistin. Ein einzigartiges Tätigkeitsfeld hat Bruder Gerold Genoni vom Kloster Einsiedeln: Als «Garderobier» des Gnadenbildes von Einsiedeln kleidet er dieses 18 Mal pro Jahr aus ihrem 40 Gewänder umfassenden Kleiderschrank neu ein. Darüber berichtet der Journalist und Buchautor Genoni in einem höchst lebendigen und anekdotenreichen Text gleich selber.

Christian von Arx

Literaturzeitschrift Orte, Nr. 196, Mai 2018. Orte Verlag, Schwellbrunn.
Die Gedichtbände von P. Bruno Stephan Scherer sind beim Kloster Mariastein erhältlich.
Die Gesamtausgabe der Werke von Silja Walter erscheint im Paulusverlag (Freiburg/Schweiz). Eine handliche Auswahl aus ihrem Werk ist in der Reihe «Solothurner Klassiker» im Knapp Verlag (Olten, 2017) greifbar.