Die 1950 erbaute Franziskuskirche in Riehen (Aufnahme vom März 2018). | © Rauenstein
Die 1950 erbaute Franziskuskirche in Riehen (Aufnahme vom März 2018). | © Rauenstein
17.09.2018 – Aktuell

Riehen steht vor einer heiklen Pfarrwahl

Kandidat ist wegen eines Sexualdelikts vorbestraft, das er vor bald zehn Jahren begangen hatte

Die Wahl eines Pfarrers für die Pfarrei St. Franziskus in Riehen-Bettingen gibt Anlass zu Diskussionen innerhalb der Pfarrei und stellt das Bistum vor schwierige Fragen. Der Kandidat war 2012 wegen einer sexuellen Handlung mit einem Kind zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt worden.

Schon vor einem Jahr, am 28. August 2017, hatte die Riehener Pfarrwahlkommission einen heute 48-jährigen Priester als Kandidaten bestimmt, der mittlerweile seit drei Jahren Aushilfsdienste in der Pfarrei leistet. Die Zustimmung des Bischofs erfolgte am 31. Juli 2018. Die Pfarrwahlkommission publizierte daraufhin, dass der Kandidat in stiller Wahl gewählt ist, sofern nicht 100 Stimmberechtigte der Pfarrgemeinde St. Franziskus innert sechs Wochen eine Urnenwahl verlangen. So sieht es die Wahlordnung der Römisch-Katholischen Kirche Basel-Stadt vor.

In «Kirche heute» Nr. 37/2018 teilte der Präsident des Pfarreirats von St. Franziskus mit, dass eine Unterschriftensammlung für eine Urnenwahl des neuen Pfarrers im Gang sei. Mehrere Pfarreiangehörige seien der Auffassung, dass «Gründe, welche die Eignung des Kandidaten für die Aufgabe als Pfarrer fraglich erscheinen» liessen, bisher nicht genügend transparent kommuniziert worden seien. Dadurch stehe auch seine persönliche Unabhängigkeit im Amt des Pfarrers in Frage.

Bedingte Geldstrafe

Worum geht es? Der jetzt in Riehen zur Wahl stehende Kandidat war bis Juni 2010 Pfarrer in einer Pfarrei im Kanton Thurgau. Diese Stelle kündigte er, nachdem gegen ihn ein Strafverfahren eröffnet worden war. In diesem Verfahren wurden mehrere Fälle von körperlichen Berührungen mit Jugendlichen untersucht. Es ging dabei um Fussmassagen. Wie der Staatsanwalt des Kantons Thurgau auf Anfrage gegenüber «Kirche heute» bestätigte, erkannte die Staatsanwaltschaft in den meisten Fällen keine strafbare Tat. In einem Fall stufte sie das Geschehene jedoch als eine sexuelle Handlung mit einem Kind ein, davon betroffen war ein Jugendlicher knapp unterhalb der Altersgrenze von 16 Jahren. Die Höchststrafe für dieses Delikt (Artikel 187 Ziffer 1 des Strafgesetzbuches) liegt bei fünf Jahren Gefängnis. Im vorliegenden Fall erliess die Staatsanwaltschaft im Juni 2012 einen Strafbefehl mit einer bedingten Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu 50 Franken, bei einer Probezeit von 3 Jahren. Der Beschuldigte akzeptierte diese Strafe, die dadurch zum rechtskräftigen Urteil wurde.

Wie Bistumssprecher Hansruedi Huber mitteilt, wurde der Fall danach auch in einem kirchenrechtlichen Verfahren beurteilt. Das Ergebnis: Die Kongregation für die Glaubenslehre beauftragte den Bischof von Basel damit, dem Priester einen Verweis zu erteilen. Das bedeutet auch, dass er grundsätzlich weiter als Priester eingesetzt werden kann. Laut Huber erhielt er seither keine Missio canonica für einen Dienst als Priester mehr, übernahm nach Ablauf der Bewährungsfrist jedoch Aushilfsdienste.

In der Pfarrei beliebt

Die Pfarrwahlkommission von St. Franziskus möchte den Mann nun als Pfarrer von Riehen anstellen. Der Präsident der Kommission, Advokat Stefan Suter, hebt gegenüber «Kirche heute» hervor, dass der Vorgeschlagene seine Arbeit als Aushilfe in Riehen gut mache und bei den praktizierenden Katholiken in der Pfarrei sehr beliebt sei. Suter, der beruflich auch als Strafverteidiger tätig ist, stellt in Frage, ob die damals im Thurgau festgestellten Berührungen den Tatbestand der sexuellen Handlung tatsächlich erfüllten. Auf keinen Fall könne man davon sprechen, dass der Mann pädophil sei. «Wir würden nie einen Pädophilen als Pfarrer vorschlagen», sagte Suter. «Aus meiner Sicht hat das Ganze nicht mit einem Sicherheitsbedürfnis zu tun, sondern mit Moralin.» Der Vorfall selbst liege zudem heute bald zehn Jahre zurück.

Bischof holte Gutachten ein

Bischof Felix Gmür nahm sich rund elf Monate Zeit, bevor er seine Zustimmung erteilte. Um das Risiko zu beurteilen, lagen ihm zunächst der Entscheid der Glaubenskongregation sowie ein im Auftrag des betroffenen Priesters erstelltes psychologisches Gutachten vor. Wie Bistumssprecher Huber mitteilt, holte der Bischof von sich aus zwei weitere Gutachten ein, ein forensisches und ein medizinisch-rechtliches. Alle vier Stellungnahmen seien zum Ergebnis gekommen, dass von dem Mann nach menschlichem Ermessen keine Rückfallgefahr ausgehe.

Nachdem keine staatlichen und kirchlichen Einschränkungen vorlagen, habe der Bischof keinen Grund gehabt, den Entscheid der Pfarrwahlkommission Riehen nicht zu respektieren. Nebst dem Sicherheitsbedürfnis der Pfarrei habe er auch dem gesellschaftlich anerkannten Ziel der Resozialisierung Rechnung getragen. Dem Bischof sei es wichtig, dass die Übertragung einer Pfarrstelle in einer Form erfolge, bei der eine Urnenwahl möglich sei, sagte Hansruedi Huber weiter. In Riehen sei diese Bedingung erfüllt.

Nun liegt es in der Hand der Stimmberechtigten der Pfarrgemeinde St. Franziskus Riehen-Bettingen, wie sie die Eignung des Kandidaten beurteilen und ob sie eine Urnenwahl des neuen Pfarrers wünschen. Der Kandidat selbst hat im Pfarrblatt «Kirche heute» für einen «späteren Zeitpunkt» einen Ausspracheabend für Angehörige der Pfarrei angekündigt, bei dem «allfällige Unklarheiten besprochen» werden könnten. Auch lädt er dazu ein, ihn schon jetzt direkt zu konsultieren.

Die Frist für die Einreichung der nötigen 100 Unterschriften läuft bis am 27. September. Wird der Kandidat in stiller Wahl gewählt, soll er sein Amt als Pfarrer am 1. November antreten.

Christian von Arx