18.10.2018 – Editorial

Puzzleteilchen

«Noch nie davon gehört», «Dafür fehlen uns die Ressourcen», «Wir machen etwas, aber wir wissen noch nicht was» – das ist die Palette der Antworten auf unsere kleine Umfrage, die wir Anfang 2018 im kirchlichen Umfeld zum Europäischen Kulturerbejahr durchgeführt haben. Der grosse Hype hat sich auch in der Zwischenzeit nicht ein­gestellt. Spezielle Veranstaltungen unter dem Label «Kulturerbejahr» sind Mangelware, der gemeinsame Tag der Klöster Dornach und Mariastein am 27. Ok­tober ist eine Ausnahme. Die Gründe dafür ­können auf unterschiedlichen Ebenen liegen – siehe oben.

Eine wesentliche Rolle spielt dabei, ob und wie wir kulturelles Erbe wahrnehmen. Kulturerbe treffen wir auf Schritt und Tritt an, es ist Teil unseres vertrauten Alltags, so sehr, dass wir uns dessen meist kaum oder gar nicht bewusst sind. So wird das spektakulärste und geschichtlich höchst bedeutungsvolle Bauwerk zu einem Puzzleteilchen unseres persönlichen Lebens. Das einzelne kleine Teilchen fällt uns erst auf, wenn es plötzlich fehlt oder ganz anders aussieht. Oder wenn wir es mit einer Geschichte verbinden können.

Ein Beispiel dafür ist etwa die Therwiler St. Stephanskirche, deren Aussenrenovation mit der Rückkehr der goldenen Kugel und des Kreuzes auf den Turm nun abgeschlossen ist. Die Tatsache, dass sie mitten im Dreissigjährigen Krieg erbaut worden ist, erzählt uns etwas über Zuversicht und Durchhaltevermögen in unruhigen Zeiten. Kulturerbe gibt uns Einblick in die Vergangenheit – aber auch in eine mög­liche Zukunft, indem wir erfahren, wie frühere Gesellschaften mit Herausforderungen und Krisen umgegangen sind. So illustriert die Basler Clarakirche, in der am 14. Oktober 1798 der erste katholische Gottesdienst seit der Reformation 1529 stattgefunden hat, die Toleranz gegenüber zugewanderten Andersgläubigen.

So selbstverständlich kulturelles Erbe grundsätzlich erscheinen mag, so schwierig kann der Umgang mit der Hinterlassenschaft unserer Vorfahren sein. Problematisch wird es, wenn es um die Nutzung zu anderen Zwecken als ursprünglich vorgesehen geht, und ein ewiges Thema ist die Finanzierung. Für diese Fragen stehen gerade Kirchen und Klöster exemplarisch.

Regula Vogt-Kohler