29.08.2019 – Editorial

Probieren

Kochen hebt uns Menschen ab von der übrigen Tierwelt, zu der wir in biologischer Hinsicht nun mal gehören. Gekocht haben wir lange, sehr lange vor der «Erfindung» der Landwirtschaft und des sesshaften Lebens. Lange bevor wir Pflanzen und Tiere kultivierten und für unsere spezifischen Bedürfnisse züchteten.

Wie fanden unsere Vorvorvorfahren heraus, was sich zum Kochen eignet, und wie kam es, dass sie später bestimmte eher unscheinbare Pflanzen bevorzugten, die in domestizierter Form heute noch den globalen Speisezettel dominieren? Weizen, Reis und Mais sind in ihrer wilden Urform alles andere als spektakulär. Wie erkannten die Menschen das Potenzial dieser Gräser?

Neben der Notwendigkeit, Nahrung zu finden, dürften Neugier und Geschmack eine wesentliche Rolle gespielt haben. Aus wissenschaftlicher Sicht diente der Geschmacksinn als wichtige Leitschnur für eine ausgewogene und vielfältige Ernährung. Diese Sichtweise sei aber zu abstrakt, meint Alice Roberts, selbst Wissenschaftlerin, in ihrem Buch «Tamed – Ten Species That Changed Our World» (deutsche Ausgabe: Spiel des Lebens. Wie der Mensch die Natur und sich selbst zähmte). Menschen hätten nicht angefangen, Reis anzubauen und zu essen, weil es eine gute Quelle für Kalorien, Proteine und andere Nährstoffe sei. Gewiss hätten sie es zu essen begonnen, weil sie es lecker fanden. «Wir sollten unsere neolithischen Vorfahren nicht unterschätzen: Sie hatten ihre eigenen Küchen», schreibt Roberts.

Die allerersten Köche und Köchinnen konnten nicht auf «TipTopf» oder Foodblogs zurückgreifen. Als das Feuer als wichtiges Hilfsmittel bei der Zubereitung von Nahrung einmal entdeckt war, blieb ihnen nichts anderes übrig, als durch Probieren und vielfältiges Kombinieren von Zutaten herauszufinden, was schmeckt und was nicht. Das Angebot der Zutaten richtete sich danach, was die Natur (und nicht der Supermarkt) gerade zur Verfügung stellte. Frische Beeren gab es nur, wenn sie Saison hatten: also dann, wann die in Reichweite gewachsenen Früchte reif waren.

Dieses Prinzip kann uns heute noch nützlich sein. Lokale Saisonprodukte, die im Freiland gereift sind, helfen die mit der Nahrungsmittelproduktion verbundene CO2-Belastung zu re­duzieren. Dazu gehört auch, den Weg zum Hofladen und zurück möglichst nicht mit dem Auto zurückzulegen! Und bevor wir überhaupt in Richtung Laden aufbrechen, lohnen sich ein paar Gedanken darüber, was man mit dem bereits Vorhandenen kulinarisch komponieren könnte.

Regula Vogt-Kohler