19.05.2018 – Hintergrund

«Kirche als Bewegung erlebbar machen»

Pfarrer Lukas Kundert findet das Konzept des KIRK veraltet und zu brav

Am ökumenischen Tag der Kirchen am Rheinknie (KIRK) vom 5. Mai in Mulhouse fehlte die Evangelisch-reformierte Kirche (ERK BS), während die Reformierten aus Baselland, dem Elsass und dem Markgräflerland dabei waren, wie auch die Katho­liken. «Kirche heute» fragte Kirchenrats­präsident Pfarrer Lukas Kundert nach den Gründen.

Herr Pfarrer Kundert, warum fehlte die Evangelisch-reformierte Kirche Basel-Stadt am KIRK 2018?
Pfarrer Lukas Kundert: Schon seit Längerem sind wir zum Schluss gekommen, dass der KIRK kein zeitgemässes Format ist, um die Kirchen zusammenzubringen. Das Konzept des Kirchentages stammt aus Deutschland und trägt den Stempel der 50er- und 60er-Jahre. Es funktioniert in der Nordwestschweiz einfach nicht, es wirkt veraltet und etwas dröge. Es ist eher die Präsentation von Institutionen, nicht von Bewegungen, und unsere Kirchgemeinden waren jeweils nur schwer zur Teilnahme am KIRK zu motivieren.

Ist das ein definitiver Abschied vom KIRK?
KIRK verströmt den Charme von Institutionen, die auf Bravheit, Angepasstsein und gegenseitige Korrektheit ausgerichtet sind. Es fehlt das Lust- und Freudvolle, das dazu führen würde, dass breitere Kreise der Kirchenmitglieder – auch Jüngere – aus eigenem Antrieb die Kirchentage besuchen würden. Wir wollen Formate fördern, die niederschwelliger sind, und die etwas mehr vom Geist der Kirche als Bewegung Christi erfahrbar machen.

Ging dem Entscheid der ERK BS ein Austausch mit den andern Trägerkirchen voraus?
Wir hatten bereits vor 2009 unsere Bedenken gegenüber diesem Format formuliert. Wir wurden dann dazu gedrängt, dennoch einen Kirchentag auf dem Münsterplatz durchzuführen. Es wurde ein wunderbarer Tag, der aber auch deutliche Schwächen hatte. Darum hatte man für Lörrach 2014 entschieden, vom Sonntag wegzugehen und den Kirchentag auf den Samstag zu verlegen. Doch das brachte die gewünschte Verjüngung nicht. Darum hat der Kirchenrat nach Rücksprache mit dem Pfarrkapitelvorstand entschieden, dass die ERK BS nicht mehr mitmacht und sich stattdessen darauf konzentriert, das Jugendtreffen von Taizé nach Basel zu bekommen – was uns gelungen ist, und was die KIRK-Kirchen dann ja auch geschätzt und mitgetragen haben.

Die ERK BS hat sich bereits vom gemeinsamen Auftritt der Kirchen an der Mustermesse 2018 zurückgezogen. Zeigt sich darin eine Abkehr von gemeinsamen Aktivitäten?
Nein. Wir drängen aber auf neue Konzepte, die nicht in der Routine der institutionellen braven Kirche der Siebzigerjahre verharren. Die Nacht des Glaubens ist ein solch neues Konzept, das die religiösen und ästhetischen Bedürfnisse unserer Kirchenmitglieder und darüber hinaus nochmals ganz anders anspricht.

Ist mit der Abkehr von weiteren gemeinsamen Anlässen oder Institutionen zu rechnen?
Nein, im Gegenteil. Wir konzentrieren uns auf die Ökumene. Diesen Herbst ist über Bettag das evangelische «Konzil» von uns in die «Konzilstadt» Basel eingeladen, die «Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa». Ihr gehören 94 Kirchen an, die volle Kirchengemeinschaft miteinander pflegen. Die ERK BS setzt sich ganz vorne dafür ein, dass sich weitere Kirchen dieser Gemeinschaft anschliessen, wie zum Beispiel die anglikanische Kirche oder Migrationskirchen wie zum Beispiel die nigerianische Cherubim and Seraphim ­Church. Im Übrigen bleiben wir Hauptsponsor der Offenen Kirche Elisabethen und tragen solange es geht die gemeinsamen Pfarrämter mit der Römisch-Katholischen Kirche mit.

Was sind die Voraussetzungen, dass sich die ERK BS in Zukunft an gemeinsamen Anlässen oder Institutionen mit andern Kirchen beteiligt?
Das Taizétreffen und die Nacht des Glaubens sind Beispiele für eine lustvolle ökumenische Zusammenarbeit, die die Kirche als «Bewegung» und nicht als «Institution» erlebbar machen. Hier ist sehr viel Dynamik spürbar. Wir wollen unsere Ressourcen gezielter für solche gemeinsamen Projekte einsetzen. Das wird nicht von allen gerne gesehen.

Wie schätzen Sie die Zukunft der ökumenischen Zusammenarbeit in der Region Basel ein?
Die innerevangelische Ökumene geht von einem anderen Ökumenemodell aus, als die innerrömischkatholische Ökumene. Wir Evangelischen wissen von einander, dass wir sehr verschieden sind, und dass wir darauf angewiesen sind, dass Gott uns mit sich und untereinander versöhnt. Darum steht bei uns das Abendmahl am Anfang des ökumenischen Miteinanders und nicht wie bei der katholischen Seite am Ende. Das macht die Verständigung schwierig; seltsamerweise nicht mit der römisch-katholischen Hierarchie, aber mit ihrem Klerus hier vor Ort.

Interview: Christian von Arx

Prof. Dr. theol. Lukas Kundert, Pfarrer am Basler Münster, ist seit 2004 Kirchenratspräsident der Evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt