2019: Neukonzeption als Wegekirche, mit Längsachse vom Taufbecken zum Altar. | © Tom Bisig
2019: Neukonzeption als Wegekirche, mit Längsachse vom Taufbecken zum Altar. | © Tom Bisig
16.12.2019 – Aktuell

Münchenstein wagt einen Neuanfang mit seiner Kirche

Nach der Renovation ist der Innenraum der Kirche Franz Xaver wieder als Wegekirche konzipiert

Rechtzeitig vor Weihnachten konnte Bischof Felix Gmür am 15. Dezember die Kirche Franz Xaver in Münchenstein nach einer Gesamtrenovation neu einweihen. Nach 48 Jahren als Arenakirche ist der Innenraum wieder zu einer Wegekirche geworden, als die er beim Bau 1932 konzipiert war.

Kein Neubau, und doch so gut wie eine neue Kirche: Dieser Eindruck stellte sich am letzten Sonntag bei der Einweihung der der römisch-katholischen Kirche Franz Xaver in Münchenstein ein. «Einmalig ist, dass wir hier eine Kirche haben, deren Innenraum innert 90 Jahren dreimal neu gestaltet wurde», hatte Jörg Bucher vom Architekturbüro Flubacher Nyfeler Partner (Basel) wenige Tage zuvor an einer Vorstellung des Umbaus für die Medien und Gäste festgehalten.

Die Pfarrkirche Franz Xaver war 1932 bis 1935 nach Plänen der Architekten Wilhelm Meyer und Albin Gerster als Wegekirche mit Mittelgang erbaut worden. Rundbogen verbinden die zwei Seitenschiffe mit dem Hauptschiff. In der Liturgie wirkte der Priester am Hochaltar im Chorraum, mit dem Rücken zur Gemeinde, oder auf der Kanzel, erhöht über den Kirchenbänken auf der linken Seite.

Arenakirche quer zum Schiff

Im Jahr 1971 setzte eine grundlegende Neugestaltung des Innenraums die neuen Anforderungen der Liturgiereform des II. Vatikanischen Konzils um. Die scharfe Trennung zwischen Priester und Volk sollte überwunden, das liturgische Geschehen in die Mitte der Gläubigen gerückt werden. Darum wurde versucht, innerhalb des gegebenen Raums eine Arenakirche zu schaffen. Der Altar rückte in die Mitte des Hauptschiffes, darum herum auf drei Seiten die Kirchenbänke. Die Sprech- und Blickrichtung des Liturgen war nun quer zum Raum, von links nach rechts. Einen Mittelgang gab es nicht mehr, damit war die ursprüngliche Idee der Wegekirche aufgegeben. Im Chorraum wurde die Orgel platziert. Die Kirche sollte weniger als Sakralraum und mehr als Gemeinschaftsraum oder «Wohnzimmer» der Gläubigen wirken, mit einer profanen Täferdecke und mit einem Teppich am Fussboden.

Das Konzept von 1971 wurde offenbar schon bald in Frage gestellt: «Die dreischiffige Ausrichtung der Kirche stimmte nicht mit der Querstellung des Kirchenraums überein», so Jörg Bucher. Einen Rückbau lehnte die Kirchgemeinde 1979 allerdings ab, man arrangierte sich mit der Situation. 1989/1990 erhielt der Raum wieder eine sakralere Stimmung durch den Zyklus von 23 farbigen Glasfenstern von  Jean-François Comment. Abgesehen davon gab es seit 1971 keine grösseren Veränderungen.

Ein Weg vom Taufbecken zum Kreuz

Ein erster Anlauf zu einer Renovation war 2008 gescheitert, der zweite, vom damaligen Pfarrer Daniel Fischler angeregte Versuch 2016 führte nun zum Erfolg. Im November 2017 stimmte die Kirchgemeindeversammlung einer Sanierung mit der Neukonzeption des Innenraums für insgesamt 2,6 Mio. Franken zu. Regine Nyfeler vom Architekturbüro Flubacher Nyfeler Partner erläuterte die Elemente, mit denen die Kirche Franz Xaver wieder zur Wegekirche gestaltet und ihr sakraler Charakter erlebbar gemacht wird. Nach dem Öffnen der Kirchentür lädt die wiederhergestellte Längsachse mit dem Mittelgang zum Eintreten. Der «Weg» beginnt mit dem Taufbecken und führt in den mit neuem liturgischem Mobiliar – Altar, Ambo, Lesepult, Bibeltisch – gestalteten Altarraum. Dieser wird von einem grossen, von Kunstschmieden bearbeiteten Kreuz überspannt.

Der Boden ist jetzt mit Platten aus hellem Kalkstein belegt. Die vorhandenen Kirchenbänke erhielten einen neuen Farbanstrich und wurden verkürzt. Die ursprüngliche Kassettendecke wurde in gutem Zustand wieder freigelegt und prägt jetzt den Raum stark. Wesentlich ist zudem ein grosszügiger Freiraum im Eingangsbereich um das Taufbecken. Die Änderungen in der Farbgebung tragen zusammen mit subtilen Anpassungen an Wänden und Empore zum Eindruck einer weitgehend «neuen» Kirche bei. Zu diesem Erlebnis soll zudem die neue raumakustische Gestaltung beitragen, für die die Akustiker Inès und Fabian Neuhaus von Neuhaus Akustische Architektur KLG (Füllinsdorf) beigezogen wurden.

Mit dem Raum, nicht gegen den Raum

Kirchgemeindepräsident Beat Siegfried brachte den Grundgedanken der Renovation der Kirche Münchenstein auf den Punkt: «Bei der Neugestaltung des Innenraums in eine Wegekirche geht es nicht darum, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, sondern die Anliegen der Liturgiereform mit dem Raum in Einklang zu bringen – also ein ‹mit dem Raum, nicht gegen den Raum›.»

Mit den Kosten ist das Projekt nach Auskunft von Beat Siegfried genau auf Kurs. Die politische Gemeinde Münchenstein und die Landeskirche Baselland trugen 572’000 Franken an das Projekt bei, aus privaten Spenden kamen 180’000 Franken. Auf mehr Unterstützung hofft der Kirchgemeindepräsident noch vom Münchensteiner Gewerbe. Aktuell rechnet die Kirchgemeinde mit einer Restschuld von 830’000 Franken, die in 16 Jahren abgetragen sein soll. Eine willkommene Unterstützung hat nun auch die Inländische Mission aus der Epiphaniekollekte 2020 in Aussicht gestellt (siehe separaten Text).

Reliquien einer heiligen Schweizerin

Der heutige Pfarrer Sylvester Ihuoma erlebte noch während sechs Monaten die Arenakirche, als er im Oktober 2018 die Pfarreileitung von Münchenstein übernahm. Aufgrund dieser Erfahrungen konnte er der Neukonzeption vorbehaltlos zustimmen: «In dieser Kirche erlebt man die Grösse, die über einen hinausweist, die einen aber auch umfasst, ergreift und aus der Enge herausführt.» Dazu gehört auch, dass im Rahmen der Einweihung Reliquien von zwei Heiligen in den neuen Altar eingelegt wurden: Solche des Kirchenpatrons, des spanischen Jesuiten Franz Xaver (1506–1552), und der 2008 heiliggesprochenen Maria Bernarda Bütler (1848–1924), die aus Auw im aargauischen Freiamt stammte und 1892 in Ecuador die Franziskaner-Missionsschwestern von Maria Hilf gründete.

Als besondere Veranstaltungen zur Einweihung sind im ersten Halbjahr 2020 angekündigt: Ein ökumenischer Gottesdienst zur Gebetswoche für die Einheit der Christen mit «Housewarming Party» am Sonntag, 19. Januar (ab 9.45 Uhr); ein Filmabend mit dem Film «Architektur der Unendlichkeit. Die Magie sakraler Räume (2018), mit dem Regisseur Christoph Schaub (Freitag, 31. Januar, 19.30 Uhr);  und die Lange Nacht der Kirchen am Freitag, 5. Juni.

Mehr zur Kirchenrenovation auf der Website der Pfarrei Franz Xaver Münchenstein.

Christian von Arx

 

1932/35: Innenraum der Kirche Franz Xaver als Wegekirche, mit Mittelgang zum Hochaltar. | © zVg
1971: Arenakirche mit zentralem Altar, Blickrichtung des Liturgen quer zum Kirchenschiff. | © zVg
Blick in den Innenraum zu Beginn der Umgestaltung. | © zVg
Unter der Täferdecke von 1971 wurde die Kassettendecke von 1932 freigelegt. | © zVg
Für das Einbringen des geschmiedeten Kreuzes im Chor waren viele Hände nötig. | © zVg
Auch die Aussenhülle der Kirche wurde in der Gesamtrenovation instandgesetzt. | © zVg
Beim Einlegen der Reliquien wirkte neben Pfarrer Sylvester Ihuoma auch die Architektin Regine Nyfeler mit. | © Christian von Arx
Bischof Felix salbte den neuen Altar mit Chrisamöl, das auch bei einer Taufe verwendet wird. | © Christian von Arx
Zum Duft des Weihrauchs sprach Bischof Felix die Segensworte für den neuen Altar. | © Christian von Arx