03.12.2018 – Aktuell

Der Staat soll die Kirche bezüglich Gleichberechtigung in die Pflicht nehmen

Der Luzerner Ethikprofessor Peter Kirchschläger kritisiert die katholische Kirche für ihre mangelhafte Umsetzung der Menschenrechte gegen innen. Gerade bezüglich Gleichberechtigung müsse der Staat den Dialog mit der Kirche suchen, fordert Kirchschläger an einem Anlass des Zürcher Instituts für interreligiösen Dialog (ZIID). Zudem ruft er die Religionsgemeinschaften dazu auf, religiöse Begründungen für die Menschenrechte zu finden.

Peter Kirchschläger ist Professor für Theologische Ethik an der Universität Luzern. | © Universität Luzern

Die römisch-katholische Kirche erinnere Staaten an die 1948 von den Vereinten Nationen deklarierten Menschenrechte, und das sei gut, sagt Peter Kirchschläger, Ethikprofessor an der Universität Luzern und Menschenrechtsspezialist, am Anlass des ZIID zum Thema «Menschenrechte und Universalität – ein Widerspruch?». «Wenn die Kirche aber nach innen noch Hausaufgaben zu lösen hat, verpufft diese positive Wirkung nach aussen.»

Ungelöste Probleme in der katholischen Kirche

Besonders bezüglich Gleichberechtigung der Geschlechter sieht der Ethiker ein grosses, ungelöstes Problem in seiner eigenen, also der römisch-katholischen Kirche. Dies betreffe insbesondere das Verbot der Priesterweihe für Frauen. Der Staat darf hier nach seiner Ansicht nicht einfach wegschauen, denn er sei verpflichtet, die Menschenrechtscharta auch umzusetzen.

Kirchschläger fordert deshalb einen Dialog zwischen Staat und der Kirche. «Der Staat muss der Kirche sagen: Bezüglich Gleichberechtigung gibt es bei euch ein Problem.» Die Argumentation, jede Frau könne ohne weiteres aus der Religionsgemeinschaft austreten, zählt laut Kirchschläger nicht. «Das wäre Täterschutz», argumentiert er.

Der Ethiker plädiert in seinem Referat für die Universalität der Menschenrechte. Jeder Mensch habe Anrecht auf die 1948 in der Charta formulierten Menschenrechte, unabhängig von irgendwelchen Kriterien wie Religion, Wohnort, Bildung, Meinung oder Einkommen. Und diese Rechte behalte jeder und jede, auch wenn er oder sie in eine Kirche, Synagoge oder Moschee eintrete. Deshalb kann sich gemäss Kirchschläger auch keine Religionsgemeinschaft um die Menschenrechte foutieren.

«Menschenrechte gelten in und für Religionsgemeinschaften», betont Kirchschläger. Die Staaten seien zwar primäre Menschenrechtsakteure, aber auch nichtstaatliche Akteure hätten Menschenrechtsverpflichtungen. Daraus folgt gemäss Kirchschläger: «Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sind verpflichtet zur Durchsetzung der Menschenrechte.»

Brücken zwischen Religion und Menschenrechten bauen

Der Ethiker fordert die Religionsgemeinschaften dazu auf, Brücken zwischen ihren Religionen und den Menschenrechten zu bauen. Die Religionsgemeinschaften sollten demnach religiöse Begründungen für die Menschenrechte finden. Ziel davon sei ein religiöses Menschenrechtsverständnis in den Gemeinschaften. Der Ethiker ist davon überzeugt, dass damit das Entstehen von menschenrechtsfreien Räumen in den Religionsgemeinschaften verhindert werden könnte.

In der Charta selbst sind keine religiösen Begründungen für die Menschenrechte festgehalten. Dies habe die damalige Vorbereitungskommission aus Respekt vor der Pluralität absichtlich weggelassen, sagt Kirchschläger. Nun gelte es den Ball aufzunehmen, und eine religiöse Begründung zu finden. Eine christliche Legitimierung versucht Peter Kirchschläger anhand von Ausschnitten aus der Bibel. Dabei geht es um die Sorgfaltspflicht des Menschen gegenüber der Schöpfung, seine Beziehungsfähigkeit und den Verzicht auf eine auf Christen zentrierte Sichtweise.

kath.ch, Regula Pfeifer