06.02.2020 – Editorial

Kirchenmusik als Krimi

In der Zeitschrift des Schweizerischen Katholischen Kirchenmusikverbandes suchen Sie wohl kaum einen Krimi. Aber der Vatikan machts möglich: Ausgerechnet für die Messe zur Heiligsprechung von Niklaus von Flüe im Jahr 1947 braucht der Basler Musikpublizist und Organist Matthias Wamser in «Musik und Liturgie» (Nr. 6/2017) den Begriff Kriminalgeschichte.

Die heilige Cäcilia von Rom ist die Patronin der Kirchenmusik – und Cécile Gächter, die Sekretärin des Kaplans der Schweizergarde, war in Rom so etwas wie die Schutzpatronin des Komponisten Benno Ammann und seiner Messe für Bruder Klaus. Ihr Chef, Monsignore Paul M. Krieg, spielte eine Hauptrolle bei der Heiligsprechung des Einsiedlers vom Ranft. Ohne seine Beziehungen zu Papst Pius XII. wäre der aus Gersau stammende und in Basel lebende Ammann kaum für die Chormusik im Petersdom in Frage gekommen. «Ich war mir über die Schwierigkeiten durchaus klar, die sich der Aufführung einer unbekannten! Messe eines Ausländers!!, gar noch eines schweizerischen Hirtenknaben!!! In St. Peter!!!! Bei einer Heiligsprechung!!!!! entgegenstellen würden», schrieb Cécile Gächter in einem Brief von 1947. Und fügte bei: «Setzen Sie die ‹!› = Intrigen, dann kommen Sie auf den Grund meiner damaligen Besorgnisse.»

Höchst lebendig schildert die gewiefte Sekretärin aus dem Innern des Vatikans, mit welch wenig spirituellen Methoden die Aufführung dieser Messe sabotiert wurde. Für die Musik der päpstlichen Liturgien hatte damals ein seit einem halben Jahrhundert amtierender «Kapellmeister der päpstlichen Musikkapelle auf Lebenszeit» das Sagen, der in Rom offenbar vor allem zwei Komponisten zu Gehör brachte: Sich selbst und den Renaissance-Kirchenmusiker Palestrina. Kein Wunder, dass dieser Don Lorenzo Perosi sich mit der Musik Ammanns schwertat, der, so Matthias Wamser, «in unstillbarer Neugier und Entdeckerlust bis ins hohe Alter unterschiedliche Tendenzen der Musik des 20. Jahrhunderts kreativ und innovativ mitgetragen hat» – und erst noch während Jahrzehnten jeden Sommer bei Bergbauern mithalf …

Der Konflikt des Kapellmeisters Perosi mit einem modernen Komponisten aus der Schweiz ist auch Ausdruck eines Kernproblems der römischen Weltkirche: ihres grotesk übersteigerten Zentralismus. Aber der Krimi um die Messe «Defensor Pacis» erhält jetzt ein Happy End. Dank den Aufführungen von Raphael Immoos mit den Basler Madrigalisten kommt dieser Tage das zu seinem Recht, worum es Benno Ammann ging: die Musik.

Christian von Arx