Der Jahreswechsel lädt uns ein, offen zu sein für das Neue, das sich in unserem Leben ereignen wird (Blick auf den Saoseosee, GR). | © daniel stricker/pixelio.de
Der Jahreswechsel lädt uns ein, offen zu sein für das Neue, das sich in unserem Leben ereignen wird (Blick auf den Saoseosee, GR). | © daniel stricker/pixelio.de
30.12.2021 – Impuls

Numeri 6,22–27

Der Herr sprach zu Mose: Sag zu Aaron und seinen Söhnen: So sollt ihr die Israeliten segnen; sprecht zu ihnen: Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Frieden. So sollen sie meinen Namen auf die Israeliten legen und ich werde sie segnen.

Einheitsübersetzung 2016

 

«Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne …»

Ich erinnere mich an einen Freund, der Glückwünsche zum neuen Jahr stets etwas lapidar abblockte mit dem Satz: «Was soll das schon? Es ist nur eine Zahl mehr im Kalender, das ist nichts Besonderes! Es geht gleich weiter, wie gestern auch!» Ja, warum eigentlich diese Aufregung beim Jahreswechsel? Es ist ja wirklich nur ein Tag mehr, wie jeder andere davor.

Vielleicht ist es trotzdem gelegentlich sinnvoll, eine Zäsur zu machen und kurz innezuhalten, um so etwas wie einen Neuanfang zu verspüren im Fluss der Zeit. Seitens der Kirche wird uns am 1. Januar die Person Maria, genauer gesagt deren «Mutterschaft», vor Augen gestellt. Maria hat uns das Neue in der Person Jesu gebracht und sie hat dazu Ja gesagt. Marias Bereitschaft, sich auf Gott einzulassen, ist seither für alle zu einem Vorbild des Glaubens geworden. Zum Jahreswechsel lädt uns Maria ein, den Blick nach vorne zu richten und offen zu sein für das Neue, das sich in unserem Leben ereignen wird. Es ist die Einladung, für Veränderungen im eigenen Leben offen zu sein.

«Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne …». Unweigerlich kommt mir zum Thema «Neuanfang» Hermann Hesse in den Sinn, der uns ebenfalls einlädt, die Etappen des Lebens als Chance zu sehen. Es geht um Agilität und Lebendigkeit, die unser Leben behalten soll. Damit verliert das Älterwerden vielleicht etwas von der Bedrohlichkeit ständig wachsender Einschränkungen. Eine ehemalige Nachbarin beeindruckt uns diesbezüglich immer wieder. Auch wenn wir sie nur noch gelegentlich treffen, haben wir den Eindruck, dass sie nicht wirklich älter geworden ist. Natürlich fährt sie nicht mehr Auto und inzwischen wohl auch kein Fahrrad mehr, und auch grosse Wanderungen, wie früher, unternimmt sie nicht mehr. Aber stets ist sie es, die aktiv ihr Leben gestaltet, und manchmal unkonventionelle und für uns überraschende Entscheidungen trifft. Dadurch bleibt sie agil, dem Zeitgeist, dem Neuem und Veränderungen gegenüber aufgeschlossen. Für mich ist sie ein Vorbild, wie offen, konstruktiv und kreativ man mit neuen Lebenssituationen umgehen kann. Mit ihrer Lebendigkeit steckt sie uns immer wieder neu an.

«Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben. (…) Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen; nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen», fährt Hesse fort.

Tun wir diese Schritte des Lebens im Vertrauen auf Gottes Nähe und Beistand, so ähnlich wie Aaron die Israeliten vor dem Einzug ins neue, gelobte Land segnet. Nehmen wir also das Neue an und bleiben lebendig und agil, dem Leben zugewandt.

Mathias Jäggi, Theologe und Sozialarbeiter, arbeitet als Berufsschullehrer