Um sie gehts: Diakone und Theologinnen und Theologen ohne Priesterweihe als Leiter/innen von Pfarreien und Pastoralräumen (Aufnahme vom Papstbesuch in Genf, 21.6.2018). | © Archiv kh
Um sie gehts: Diakone und Theologinnen und Theologen ohne Priesterweihe als Leiter/innen von Pfarreien und Pastoralräumen (Aufnahme vom Papstbesuch in Genf, 21.6.2018). | © Archiv kh
03.08.2020 – Aktuell

Rom will nur Priester in der Leitung von Pfarreien

Eine neue Instruktion der Kleruskongregation ist mit der Situation in den Pfarreien der Schweiz nicht vereinbar

Eine Instruktion der römischen Kongregation für den Klerus sorgt in der Schweizer Kirche für Aufregung. Die Kongregation betont, dass die Leitung von Pfarreien nur Pfarrern zustehe und nicht Diakonen und Theologen ohne Weihe übertragen werden könne.  

Die Instruktion ist im Vatikan am 20. Juli veröffentlicht worden. Der Titel lautet «Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche». Unterzeichnet ist das Dokument vom Präfekten der Kleruskongregation, Kardinal Beniamino Stella (79), sowie drei Sekretären. Es wurde am 27. Juni vom Papst genehmigt.

In den ersten 41 der 124 Ziffern betont das Dokument die missionarische Aufgabe der Pfarreien: Sie müssten neue Wege für die Verkündigung des Evangeliums an alle Menschen suchen. Zahlreiche Zitate von Papst Franziskus, besonders aus der Enzyklika Evangelii gaudium von 2013, wecken Hoffnung auf einen Aufbruch. So wird der Papst zitiert, die Kirche und auch das Kirchenrecht böten grosse Freiheiten, um neue Wege zu suchen. Man solle keine Angst haben, einen Fehler zu begehen. Viel schlimmer sei es, sich einzuschliessen in überholte Strukturen und in Normen, die uns in unnachsichtige Richter verwandelten, «während draussen eine hungrige Menschenmenge wartet und Jesus uns pausenlos sagt: Gebt ihr ihnen zu essen!».

Die Instruktion zitiert auch scharfe Aussagen des Papstes gegen Tendenzen, das Volk Gottes als Ganzes zu verdrängen und auf eine kleine Elite zu beschränken. Es sei notwendig, die «Klerikalisierung der Pastoral» zu überwinden und Modelle zu fördern, durch die alle Getauften sich aktiv einbringen könnten. Die Kirche sei nicht nur Hierarchie, sondern Volk Gottes. Alle Getauften müssten aktive Protagonisten der Evangelisierung sein. In der Instruktion wird erwähnt, dass eine Pfarrei sich heute nicht mehr ausschliesslich auf ein geografisches Gebiet beschränken könne, sondern die Lebenszusammenhänge auf einem «existenziellen Territorium» einbeziehen solle – das erinnert an das Konzept, das Thema einer neuen Dissertation von Antonio Grasso am Beispiel der Personalpfarrei San Pio X im Basler Dreiländereck ist (Bericht in «Kirche heute» Nr. 11-12/2020).

Vorrechte der Priester betont

In hartem Gegensatz zur Aussicht auf neue Wege behandelt die Instruktion danach im Hauptteil (Ziffern 42 bis 121) unzählige Details der Pfarreiorganisation. Dazu zitiert sie Dutzende von Artikeln aus dem geltenden Kirchenrecht, dem Codex iuris canonici von 1983. Das führt zu Aussagen, die mit dem realen Kirchenleben in der Schweiz und besonders in den Diözesen der Deutschschweiz, nicht kompatibel sind. Einige Beispiele:

  • Wer nicht Priester ist, kann die Funktionen eines Pfarrer nicht übernehmen. Das Amt des Pfarrers darf auch nicht einer aus Klerikern und Laien bestehenden Gruppe übertragen werden, Bezeichnungen wie «Leitungsteam» sind zu vermeiden. (Ziffer 66)
  • Der Pfarrer vertritt von Rechts wegen die Pfarrei bei allen Rechtsgeschäften. Er ist der verantwortliche Verwalter des pfarrlichen Vermögens (Ziffer 67).
  • In «problematischen pastoralen Umständen» kann der Bischof einen Diakon oder einen Laien an der Ausübung der Hirtensorge einer Pfarrei beteiligen. Die so Beauftragten werden durch einen Priester koordiniert und geleitet. Ausschliesslich ihm kommen die Vollmacht und die Funktionen des Pfarrers mit den entsprechenden Pflichten und Rechten zu (Ziffern 87/88).
  • Eine solche Beteiligung eines Diakons oder eines Laien darf nur befristet erfolgen, und es geht dabei «und nicht darum, die Pfarrei zu leiten, zu koordinieren, zu moderieren oder zu verwalten; dies steht gemäss den Text des Kanons nur einem Priester zu» (Ziffer 89).
  • Die Bezeichnungen für die den Diakonen und den Laien übertragenen Beauftragungen müssen den Unterschied zum Priestertum klarmachen. Illegitim sind Formulierungen wie «übertragen der Hirtensorge einer Pfarrei» oder «die Pfarrgemeinde leiten», weil sie sich auf den priesterlichen Dienst beziehen, der dem Pfarrer zusteht (Ziffern 95 und 96).
  • Laien können in einer Kirche predigen, wenn die Umstände es erfordern, aber in einer Eucharistiefeier dürfen sie auf keinen Fall die Predigt halten (Ziffer 99).
  • Mit den staatskirchenrechtlich geregelten Verhältnissen in der Schweiz unvereinbar sind die Aussagen zur Finanzverwaltung der Pfarreien. Für die Instruktion steht diese immer unter Leitung des Pfarrers (Ziffer 102).

Auch die Bischöfe in Frage gestellt

In erster Linie desavouiert die Instruktion der Kleruskongregation die Gemeindeleitungen und Pastoralraumleitungen durch Diakone sowie Theologinnen und Theologen ohne Weihe, wie sie in grossen Teilen der Deutschschweiz seit Jahrzehnten Tatsache sind. Das stellt das Handeln der zuständigen Schweizer Bischöfe in Frage. Bischof Felix Gmür von Basel hat die Instruktion in einem Schreiben vom 29. Juli an alle pastoralen Mitarbeitenden kritisch kommentiert und klargestellt, dass die bestehenden Leitungsmodelle, Berufs- und Amtsbezeichnungen weiter gelten. Im Bistum Chur dankte der für Zürich und Glarus zuständige Delegierte Josef Annen den in der Leitung von Pfarreien tätigen Pfarreibeauftragten und hielt fest, ohne sie wäre eine ortsnahe Pastoral unmöglich.

Junia-Initiative unterstützen

Der Verein Kirchliche Gleichstellung Basel reagierte am 22. Juli mit einem Brief an die Kirchenräte und Synoden der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft sowie an die Römisch-katholische Zentralkonferenz (RKZ) zuhanden aller Schweizer Kantonalkirchen: Sie alle fordert der Verein auf, eine Unterstützung der Junia-Initiative zu erwägen, wie dies bereits die Landeskirchen der Kantone Luzern und Zürich getan hätten. Die Junia-Initiative sieht vor, den Bischöfen geeignete und bereite Personen, insbesondere Frauen, für eine sakramentale Sendung ohne Priesterweihe vorzuschlagen.

In der katholischen Kirche in Deutschland löste die Instruktion aus Rom heftige und kontroverse Stellungnahmen aus. Der Präfekt der Kleruskongregation, der italienische Kardinal Stella, reagierte mit einem Gesprächsangebot an die deutschen Bischöfe.

Christian von Arx