Das Benediktinerkloster auf der Insel Reichenau entwickelte sich vom 8. bis 11. Jahrhundert zu einem geistigen Zentrum des Abendlandes. | © Helmuth Scham; Internationale Bodensee Tourismus GmbH
Das Benediktinerkloster auf der Insel Reichenau entwickelte sich vom 8. bis 11. Jahrhundert zu einem geistigen Zentrum des Abendlandes. | © Helmuth Scham; Internationale Bodensee Tourismus GmbH
06.06.2019 – Aktuell

«Inspiration Bodensee» verbindet Spiritualität und Tourismus

Kirchen und Tourismusverbände wollen kulturelles und religiöses Erbe der Bodenseeregion aufwerten

Das Projekt «Inspiration Bodensee: Kirchen, Klöster, Weltkultur» bündelt kirchliche und touristische Angebote in der Bodenseeregion. Dabei wird dem grossen Interesse am Pilgern Rechnung getragen.

 

Die Region rund um den Bodensee stieg im Mittelalter zu einem der bedeutendsten religiösen und kulturellen Zentren Europas auf. Die Klöster auf der Insel Reichenau und in St. Gallen zählen zum Welterbe der Unesco. Zwischen 1414 und 1418 kamen Kaiser, Papst und Theologen zum grössten Kongress des Mittelalters, dem Konstanzer Konzil, zusammen.

Es ist eine an Kulturgütern sehr reiche Region, wie der gemeinsame Auftritt von sechs Organisationen bei der Präsentation des Projekts «Inspiration Bodensee: Kirchen, Klöster, Weltkultur» zeigt. Für Mandana Roozpeikar, Mitarbeiterin an der Stiftsbibliothek St. Gallen, stellt die gemeinsame Initiative der verschiedenen Akteure rund um den Bodensee einen bedeutenden Schritt dar: «Aus Sicht des Gastes, der sich in dieser Region für Kirchen und Kultur interessiert, bringt das einen hohen Mehrwert. Neu findet er in einer Broschüre alles zusammengefasst», sagt sie auf Anfrage von kath.ch.

Auch die Internetseite gibt einen Überblick über Klöster und Kirchen und beschreibt deren religiöse und kunsthistorische Rolle. Projektleiter Helmut Fidler sagte an der Medienorientierung dazu, der Bodensee sei einst der «Mittelpunkt Europas» gewesen. Die Region zeige, dass Kirche und Tourismus zusammengehörten.

 

Kirchen waren Youtube von damals

Er verwies auf die regionalen Abschnitte des Jakobswegs. Auch gebe es eine grosse Nachfrage nach spirituellen Angeboten. «In unserer Welt ist das Gefühl für Spiritualität verloren gegangen», sagte Fidler. Das Programm verstehe sich daher auch als Spurensuche nach den Wurzeln von Kultur und Kirchen.

Eine Einschätzung, die Mandana Roozpeikar sehr unterstützen kann. Die Kirchen seien früher der Ort gewesen, wo sich die Menschen zum Austausch trafen. «Sozusagen das Youtube von damals», merkt sie humorvoll an. Heute gelte es zudem auch, die alte Bildsprache an und in den Sakralbauten in die heutige Zeit zu übersetzen.

Norbert Kebekus vom Erzbistum Freiburg im Breisgau beschrieb das Angebot als Chance, «mit der Kirche und ihrer Botschaft in Kontakt zu kommen». Viele Urlauber seien offen für Spiritualität und Fragen des Lebens. Dass solche Angebote mehr sind, als eine zusätzliche touristische Werbemassnahme, da ist sich auch Mandana Roozpeikar von der Stiftsbibliothek St. Gallen sicher: «In unserer digitalen Welt geht alles sehr schnell. Viele Leute haben in den Ferien das Bedürfnis, Ruhe zu finden.» Und dabei falle sehr schnell das Wort Kloster als Rückzugsort.

 

Schon eine Anregung für neue Strasse …

Diese Erfahrung macht auch Josef Schönauer, der sich im Bistum St. Gallen mit der Pilger- und Tourismusseelsorge beschäftigt und die Initiative für die Bodenseeregion als wichtige Innovation einschätzt, wie er gegenüber kath.ch erklärte. Auf der von ihm betreuten Seite über das Pilgern hat auch er zahlreiche Informationen und Hinweise zusammengefasst.

Und da im Bodenseeprojekt auch der neue Meinrad-Velo-Pilgerweg oder die Oberschwäbische Barockstrasse enthalten sind, regt er an, die alte Konstanzerstrasse, die historische Verbindung zwischen der Konzilsstadt Konstanz und St. Gallen, gleich für eine solche touristisch-spirituelle Nutzung zu «revitalisieren».

 

Speziell junges Publikum ansprechen

Die Projektpartner wollen Gäste und Einheimische erreichen. Der Aktionstag «#instakirchebodensee» am 27. Juni richtet sich an ein jüngeres Publikum: Besucher können mit ihrem Smartphone die Innenräume der Kirchen auf einem sogenannten «Instawalk» erkunden und auf Instagram teilen.

Für die Klostererlebnistage vom 10. bis 13. Oktober öffnen umliegende Klöster ihre Türen, bieten Führungen und Übernachtungen an und geben Einblick in das frühere Leben der Mönche. In St. Gallen wird bereits seit April der im 9. Jahrhundert auf der Insel Reichenau gezeichnete Klosterplan gezeigt.

 

Gewinn für Tourismus und Kirchen

Petra Reinmöller, die mit der Agentur «PR2» das Projekt «Inspiration Bodensee» begleitet, hat die nun seit eineinhalb Jahren andauernde Zusammenarbeit zwischen Vertretern kirchlicher Einrichtungen und des Tourismus als bereichernd erlebt. «In der Auseinandersetzung wurde schnell deutlich, dass dies ein Gewinn für beide Seiten wird», so Reinmöller auf Anfrage.

Gäste, die sich vertieft mit Kultur und Geschichte auseinandersetzen, seien für den Tourismus interessant, weil ihnen auch viel geboten werden kann. «Die kommen nicht nur, um ein paar Bilder zu knipsen.» Und für die Kirchen sei das Programm eine Möglichkeit, ein ganz neues Publikum anzusprechen: Mit offenen Türen liessen sich den Besuchern nicht allein das Kulturerbe, sondern auch kirchliche Themen von heute präsentieren.

kath.ch; ms/kna

 

Mehr zum Projekt «Inspiration Bodensee»: www.bodensee.eu