Äbtissin Archontia entzündet eine Kerze vor einer Ikone in der Krypta des Klosters Beinwil. | © Vera Rüttimann
Äbtissin Archontia entzündet eine Kerze vor einer Ikone in der Krypta des Klosters Beinwil. | © Vera Rüttimann
16.05.2019 – Aktuell

«Im griechischen Kloster fand ich, was ich suchte»

Im Gespräch mit Abt und Äbtissin der Orthodoxen im Kloster Beinwil

Die neuen Bewohner/innen des Klosters Beinwil haben auf einem persönlichen Weg zum orthodoxen Glauben gefunden. Mit grossem Gottvertrauen wollen sie ihre Erfahrungen aus dem Klosterleben in Griechenland und weiteren Ländern im ehemaligen Benediktinerkloster am Passwang fruchtbar machen.

Nonnen in langen, schwarzen Gewändern, die nur das Gesicht freilassen. Der Abt mit Bart, schwarzem Rock und schwarzer Kopfbedeckung mit Kreuz. Alle tragen griechische Ordensnamen, in den Klosterräumen findet man Kerzen und Ikonen: Es ist schon ein Eintauchen in eine andere Welt, wenn man im Kloster Beinwil ankommt. «Wenn wir reisen, kommt es vor, dass man uns für Muslime oder Terroristen hält», erzählt Vater Damaskinos halb belustigt, halb verwundert.

Beim Besuch in Beinwil stellen sich keine solchen Gedanken ein. Die Türen des Klosters sind offen, Äbtissin Archontia und Abt Damaskinos empfangen mich freundlich und geben ausführlich Auskunft auf alle Fragen. Beide waren als Jugendliche in der protestantischen Kirchgemeinde L’Entre-Deux-Lacs östlich von Neuenburg engagiert, suchten aber etwas, was sie dort nicht fanden. Vater Damaskinos nennt seinen Glauben an die leibliche Auferstehung Christi und an dessen Anwesenheit in Brot und Wein, die ihm klar machten, dass er nicht mehr reformiert sei. Äbtissin Archontia sagt, sie habe die Spiritualität in der reformierten Kirche vermisst. Sie spüre, dass den Reformierten die Glaubenstexte des Frühchristentums fehlten, aus den mehr als tausend Jahren zwischen dem Neuen Testament und den Reformatoren.

 

Inspiriert von der orthodoxen Welt

Es war Abt Damaskinos‘ älterer Bruder, der heutige orthodoxe Priester Kapodistrias, der sie mit der Orthodoxie in Kontakt brachte. In Griechenland schlossen sie sich der geistlichen Familie von Archimandrit Dionysios an. Dort gab es Bischöfe, Reliquien, Maria und Heilige: «Das war, was ich gesucht hatte», sagt Abt Damaskinos. Er lebte mehrere Jahre in Klöstern in den USA, wo er zum Priester geweiht wurde, und in Norwegen. Äbtissin Archontia lernte das Leben in den griechischen Klöstern kennen: «Hier fand ich, was mir fehlte.» Ihre Gelübde legte sie in Griechenland ab. Als Nonne steht ihr, die ein Philosophiestudium in Fribourg absolviert hat und jetzt vor dem Abschluss eines Fernstudiums in orthodoxer Theologie in Athen steht, der Weg zum Priestertum nicht offen. Doch das ist für sie kein Problem: «Ich sehe nicht, was ich nicht kann, sondern das, was ich tun kann. Und ich kann sehr viel machen. Ohne Maria hätte es keinen Jesus gegeben.»

Wie Abt Damaskinos und Äbtissin Archontia gehören auch die Nonnen Ionia und Agapia zur internationalen Gemeinschaft von Archimandrit Dionysios. Auf die Frage nach Anlass und Zweck der Klostergründung in Beinwil erklärt Äbtissin Archontia, dass es Anhänger des geistlichen Vaters Dionysios gewesen seien, die schon seit Jahren nach einer Klostergründung in der Schweiz gefragt hätten. «Es sind Leute, die etwas suchen. Der Sinn des Klosters ist es, ihnen und allen Leuten geistlich etwas zu bieten.» Die Erfahrung aus Griechenland und anderen Ländern zeige: Wo ein Kloster sei, da kämen auch Leute. «Wir sehen uns nicht als Missionare. Unsere Arbeit ist Beten und Dienen.»

 

Ökonomie mit Gottvertrauen

Wie steht es mit den Geldquellen für den Klosterbetrieb? Immerhin müssen die Nutzer den Unterhalt der ganzen Anlage in Beinwil finanzieren. Abt und Äbtissin erwähnen finanzielle Unterstützung durch Personen aus dem Umkreis der Gemeinschaft. Sie wollen einen Laden führen, der zum Beispiel Tee, Salben, Konfitüre, Sirup, aber auch Weihrauch und Ikonen verkauft. Sie sind bereits, im Spiesshaus Gäste zu beherbergen – so hat kürzlich eine Gruppe von rund zehn Personen auf dem Jakobsweg bei ihnen übernachtet. Einen festen Preis verlangen sie nicht: «Wir sind kein kommerzielles Unternehmen – die Gäste geben, was sie können.» Die Gemeinschaft zählt auch auf Besucher: «Orthodoxe kommen nie mit leeren Händen ins Kloster. Sie bringen zum Beispiel Gemüse, Kerzen oder Geld. Wie eine grosse Familie.»

Im Hinblick auf nötige Renovationen seien auch Geldsammlungen denkbar. Die Stiftung Kloster Beinwil hat einen mittelfristigen Sanierungsbedarf von einer halben Million Franken ermittelt. Der Betrag ist gross, das Gottvertrauen der Klosterleute ist grösser: «Es wird schon kommen. Gott füttert die Vögel. Wir sind viel mehr als Vögel.» Abt Damaskinos meint: «Je mehr Geld die Leute haben, desto mehr Angst haben sie. Die armen Leute haben weniger Angst, sie vertrauen auf Gott.»

 

Freundeskreis weiterhin aktiv

In einem orthodoxen Kloster arbeite niemand gegen Lohn. Es gebe keine Angestellten, sondern Leute, die helfen. Erfreut haben die neuen Nutzer des Klosters registriert, dass sich Personen aus dem bisherigen Freundeskreis der Ökumenischen Gemeinschaft gemeldet haben und auch bereits wieder dabei sind, im Kloster freiwillig mitzuarbeiten, zum Beispiel im Garten.

Die Ausschreibung der Gebäude durch die Stiftung Kloster Beinwil im Jahr 2018 war für die Orthodoxen ein Glücksfall. Der Ort sei ruhig und abgeschieden und trotzdem von überall her gut zu erreichen. «So ein Tal findet man nicht leicht in der Schweiz», sagt Abt Damaskinos. Und das Wichtigste: In Beinwil muss nicht erst ein Kloster erschaffen werden, es war und ist schon ein Kloster. Ein Garten mit den Pflanzen und Kräutern, die in der Bibel vorkommen, ist ein Klosterideal – in Beinwil gibt es ihn schon. Äbtissin Archontia sagt: «In diesen Mauern wurde seit 900 Jahren gebetet, das spüren wir ganz stark.»

 

«Staunen über den Heiligen Geist»

Im positiven Sinn überrascht über das orthodoxe Klosterprojekt in Beinwil ist Abt Peter von Sury vom Benediktinerkloster Mariastein, das mit der Evangelisch-reformierten und der Römisch-Katholischen Kirche Basels und dem Bistum Basel die Stiftung Kloster Beinwil gegründet hat. «Das ist derart unerwartet, dass ich einfach nur staunen kann, auf welche Ideen der Heilige Geist kommt», sagt er. Die wenigen Kontakte, die er bisher mit der Gemeinschaft hatte, seien unkompliziert gewesen. Abt Peter hat sich bisher jedes Jahr ein paar Tage in die Ruhe und Stille des Klosters Beinwil – das Mutterkloster von Mariastein – zurückgezogen. Das möchte er in der nächsten Zeit wieder tun, jetzt erstmals als Gast der orthodoxen Klostergemeinschaft.

Christian von Arx

 

 

«Sie sind offen für den Kontakt»

In Beinwil hatte die Liturgiegruppe letztes Jahr jeweils am Mittwochabend ein Gebet für die Neubelebung des Klosters abgehalten. Die ersten Kontakte mit der orthodoxen sind offenbar positiv aufgenommen worden. «Sie sind offen, aber nicht aufdringlich – sie sind da, wenn man etwas braucht», sagt Pfarreisekretärin Petra Christ-Blom auf Anfrage von «Kirche heute». Die Einladungen zu einem Tag der offenen Tür und zur (orthodoxen) Osterliturgie seien eindrücklich gewesen. Pfarrer Bruno Stöckli vom Pastoralraum Thierstein rühmt die Gastfreundschaft bei einer Sitzung mit den Ministrantenverantwortlichen im Kloster: «Bei einer Führung in die Krypta kam man miteinander ins Gespräch.» Die orthodoxe Spiritualität sei eine eigene Welt, aber offen für den Kontakt.

Der Solothurner Regierungsrat Remo Ankli, ehemaliger Gemeindepräsident von Beinwil, weiss umgekehrt auch von Anlässen im Dorf, an denen Mitglieder der Gemeinschaft dabei waren, zum Beispiel am Suppentag Ende März im Schulhaus. «Sie wirken bescheiden. Als Beibler finde ich es gut, wie sie es machen», sagt Ankli. Er glaube nicht, dass die schwarz gekleideten Mönche und Nonnen im Lüsseltal als Fremdkörper wirkten: «Unsere Leute sind erfreut, dass es eine kirchliche Nutzung des Klosters ist. Sie sehen darin einen Bezug zur Tradition der Benediktiner.»

cva