Josef Haselbach, der neue Provinzial der Schweizer Kapuziner. | © Bruno Fäh
Josef Haselbach, der neue Provinzial der Schweizer Kapuziner. | © Bruno Fäh
23.01.2020 – Hintergrund

«Ich hoffe, dass es möglich bleibt, Neues anzupacken»

Im Gespräch mit Josef Haselbach, dem neuen Provinzial der Schweizer Kapuziner

Josef Haselbach leitet seit rund sieben Monaten die Schweizer Kapuziner. Im Interview sagt er, vor welchen Herausforderungen der Kapuzinerorden steht, was ihm als Neuling im Amt des Provinzials widerfuhr und wohin er die Schweizer Kapuziner führen will.

Vor welchen Herausforderungen steht der Kapuzinerorden weltweit im Jahr 2020 und darüber hinaus?

Josef Haselbach: Da ich als Provinzial noch nicht lange im Amt bin, habe ich erst wenig Einblick in die globalen Verhältnisse des Ordens nehmen können. Mir ist jedoch bekannt, dass sich die Situation je nach geografischer Lage unterschiedlich präsentiert. Die europäischen Provinzen des Ordens, etwa im deutsch- oder im italienischsprachigen Raum, waren einst bestimmend, auch in wirtschaftlicher Hinsicht.

Unterdessen hat sich der Schwerpunkt verlagert – weg von Europa. In aussereuropäischen Ländern und Regionen stehen Entwicklungen an, wie wir sie hier nicht mehr kennen. All dies zuzulassen und doch auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, ist wohl eine grosse Kunst.

Welche Entwicklungen sprechen Sie an?

Ich denke an Indien und Afrika. Dort gibt es recht viel Nachwuchs. Die Mitgliederzahlen nehmen zu. Auch bei uns war der Eintritt in einen Orden früher mit einem sozialen Aufstieg verbunden. Junge Menschen bekamen die Möglichkeit, etwas zu lernen und zu machen, das ihnen sonst verwehrt gewesen wäre. In vielen Ländern Asiens und Afrikas ist das heute noch der Fall.

In unseren Missionen in Afrika, zum Beispiel in Tansania, hat ein Priester eine ganz andere Bedeutung als hierzulande. Priester zu werden ist dort höchst erstrebenswert, weil man damit auch eine gewisse Position erlangt. In Europa ist das unterdessen ganz anders. Das kann zu ziemlichen Spannungen innerhalb des Ordens führen.

Warum?

Weil unterschiedliche Vorstellungen existieren von dem, was der Orden sein soll. Ähnlich wie es auch unterschiedliche Kirchenbilder gibt.

Welche besonderen Herausforderungen kommen im Jahr 2020 auf die Schweizer Kapuziner zu?

Wir müssen stärker mit anderen zusammenarbeiten, über die Grenzen unseres Ordens hinaus. Diese Einsicht ist einerseits der Not geschuldet. Eine intensivere Zusammenarbeit mit anderen franziskanischen Gemeinschaften entspräche andererseits unserer Spiritualität. Ich denke dabei an die braunen und schwarzen Franziskaner und an engagierte Menschen, die im franziskanischen Geist leben wollen. Aber auch an Schwestern, seien es Kapuzinerinnen oder Angehörige franziskanischer Gemeinschaften.

In welchen Bereichen sollte die Kooperation verstärkt werden?

Zum Beispiel im Medienbereich. Oder beim Projekt «Kloster zum Mitleben», das in Rapperswil seit Langem existiert. Es soll so gestaltet werden, dass es auch mit weniger Ordensmitgliedern eine Zukunft haben kann. Denn es gibt eine Nachfrage nach einem solchen Ort des Rückzugs, der Stille und des Austauschs. Es gibt bereits Ordensfrauen, die das Projekt mittragen. Wahrscheinlich muss man es aber noch auf eine ganz andere Basis stellen.

Seit rund einem halben Jahr sind Sie Provinzial der Schweizer Kapuziner. Welches sind Ihre ersten Erfahrungen im neuen Amt?

Es kam sehr vieles gleichzeitig auf mich zu. Die einschneidendste Erfahrung war, dass mir blitzartig bewusst wurde, vor welchen Baustellen wir überall stehen. Vor meinem Amtsantritt war ich als Spitalseelsorger und Guardian einer Niederlassung tätig. Da lief der Alltag recht gut. Jetzt, wo ich Provinzial bin, stelle ich fest: Es gibt wirklich drängende Probleme, die wir aktiv anpacken müssen, bevor sie uns einholen.

Zum Beispiel?

Wir können die Leitungsfunktionen kaum mehr besetzen. Denn wir haben nur mehr wenige junge Mitglieder, die eine leitende Funktion übernehmen können und wollen. Gleichzeitig haben wir noch eine rechte Anzahl von Klöstern, während es immer weniger Kapuziner werden. Wir müssen uns fragen: Wo positionieren wir uns? Wo setzen wir Schwerpunkte? Da muss man sehr wach sein.

Sie sind für drei Jahre gewählt. Wohin möchten Sie die Schweizer Kapuziner in dieser Zeit führen?

Ich glaube, wir werden geführt. Einfach dadurch, dass unser Spielraum schrumpft. Einst träumte ich von verschiedenen Projekten. Heute wünsche ich mir, dass es noch immer möglich ist, Neues anzupacken. Ich möchte nicht, dass wir nach und nach gezwungen sind, dieses und jenes aufzugeben, weil es einfach nicht mehr geht. Vielmehr sollten wir gewisse Dinge aktiv zurückfahren und vorausschauend loslassen. Auf diese Weise könnte ein Spielraum für Neues, Aktuelles entstehen.

Haben Sie Ideen, wie Sie den kleiner werdenden Spielraum nutzen möchten?

In unseren Klöstern in Luzern und Rapperswil laden wir Menschen ein, zu uns zu kommen. Ich persönlich fände es wichtig, dass wir Kapuziner auch zu den Menschen gehen – uns zum Beispiel im sozialen Bereich engagieren.

Interview: Barbara Ludwig / kath.ch