08.04.2021 – Editorial

Fröhlicher Ungehorsam

Ab und zu tut es einfach gut, laut heraus auf andere zu schimp­fen. Es gibt ­Situationen, in denen einen die nackte Wut packt, und dann muss es raus. Kennen Sie das auch, oder bin ich der Einzige mit diesem Laster? Es ist wohl nicht gerade vorbildlich, aber menschlich ist es bestimmt. Und immer noch besser, als handgreiflich zu werden.

An jenem Tag Mitte März, als die Glaubenskongregation in Rom ihr Verbot der Segnung von Paaren des gleichen Geschlechts veröffentlichte, war es bei mir wieder einmal so weit. In allen Zeiten, in allen Kulturen sehen wir Männer und Frauen, die sich eher zu Personen ihres eigenen Geschlechts hingezogen fühlen. Offensichtlich sind sie samt ihrer Veranlagung ein Teil von Gottes Schöpfung und Gottes Plan. Und da kommen die Würdenträger in Rom und wollen der ganzen Weltkirche vorschreiben: Die einzelnen Menschen könne man ja segnen, ihre Verbindung aber nicht. Weil diese nicht den Plänen Gottes diene.

Diese Anmassung, diese Scheinheiligkeit, diese Willkür: Ich ertrage sie einfach nicht. Ich denke an gläubige und der Kirche verbundene Eltern, deren Tochter eine Partnerin, deren Sohn einen Partner gefunden hat, den oder die auch sie, die Eltern, schätzen gelernt haben. Wie muss ihnen zumute sein, wenn die Kirche, buchstäblich von oben herab, die Beziehung ihres Kindes als Sünde verurteilt? Es ist unvorstellbar.

Was mich an dem Text der Glaubenskongregation besonders ärgert, ist das Aufrechnen von Plus und Minus in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Da wird eingeräumt, in solchen Verbindungen könnten auch «positive Elemente» vorhanden sein, die an sich «zu schätzen und hervorzuheben» seien. Vielleicht sind damit die Liebe, Treue, Fürsorge zweier Menschen füreinander gemeint. Aber all das, so die kirchlichen Gerichtsherren, sei zu wenig, um homosexuelle Beziehungen «rechtmässig zum Gegenstand einer kirchlichen Segnung zu machen».

Nein, eine solche Rechnerei kann ich nicht in Übereinstimmung bringen mit meinem Glauben an einen Gott, der Ja sagt zu den Menschen, die er nach seinem Bild geschaffen hat. Was also ist die richtige Haltung gegenüber dem unsäglichen «Segnungsverbot» aus Rom? Wir alle sind verpflichtet, auf unser Gewissen zu hören und nicht auf «Autoritäten». Mich beeindrucken Eltern, Verwandte, Freunde und Seelsorger/innen, die mit Ernst und Freude einem Paar den Segen Gottes zusagen, das ihn sucht. Fröhlichen Ungehorsam würde ich das nennen.

Christian von Arx