11.04.2019 – Editorial

Es ruft aus der Kirche

Vieles ist derzeit zu lesen über die katholische Kirche. Oft genug Unerfreuliches. Aus all dem geht mir die Frage in einer Kolumne nicht aus dem Kopf: «Warum wehren sich die Guten innerhalb der katholischen Kirche nicht? Warum gibt es keine Revolution von innen?»

Stimmt das? Wehren sich die Guten nicht? Ich erlebe es anders. Ende November fasste die Thurgauer Synode die Resolution «Für eine glaubwürdige Kirche»: Die Kirche komme «nicht darum herum, die Macht auch in der Kirche zu teilen und so wirksamer zu kontrollieren.» Die Baselbieter Synode schloss sich an. Dann kam die Erklärung «Eine Kirche umfassender Gleichwertigkeit», mitgetragen von über 300 kirchlich Tätigen, eine fundamentale Kritik an den Strukturen der Amtskirche; konkrete Forderungen folgten («Wir haben es satt!»). Seit Februar verbreitet sich vom Kloster Fahr aus das «Gebet am Donnerstag»: «Es braucht Vertrauen, dass durch neue Wege und einschneidende Veränderungen mehr Gutes geschaffen wird als durch Verharren im Ist-Zustand.» Simone Buchs, Präsidentin der Ordensoberinnen der deutschsprachigen Schweiz, kritisierte den «Skandal, dass viele Männer in der katholischen Kirche die Frauen lediglich als kaum vorhanden behandeln – ausser, sie dienen ihnen.» In einem Offenen Brief riefen neun Frauen und Männer franziskanischer Gemeinschaften nach einer geschwisterlicheren, synodaleren und dezentraleren Kirche und lieferten Gründe, um die Zölibatsverpflichtung für Priester aufzuheben. An der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz bot Präsident Luc Humbel die Mitwirkung an einem «verbindlichen und synodalen Weg zur Erneuerung und Veränderung der Kirche» an. Zuletzt forderten Synodalrat und Generalvikar der Katholischen Kirche im Kanton Zürich in einem dramatischen Offenen Brief vom 4. April Reformen: «Papst Franziskus, die Zeit des Zuwartens ist abgelaufen.»

Die Aufzählung aus den letzten vier Monaten zeugt von intensiver Gedankenarbeit. Das Wort ergriffen haben vor allem Frauen, Ordensleute, Verantwortliche von Kantonalkirchen. Was sie eint, ist Sehnsucht nach einer glaubwürdigen Kirche für unsere Zeit.

Ich weiss nicht, ob das zu einer «Revolution von innen» führt. Aber man muss schon Augen und Ohren verschliessen, um nicht wahrzunehmen, was sich in der katholischen Kirche der Schweiz ereignet: Die tiefe Verletzung durch den weltweiten Machtmissbrauch von Kirchenmännern treibt Katholikinnen und Katholiken zu grosser Ernsthaftigkeit an, um die Ursachen zu beseitigen und es in ihrer Kirche besser zu machen. Jetzt.

Christian von Arx