Diskussion mit Daniel Bogner (Mitte): Pastoralraumleiterin Silvia Guerra (Allschwil-Schönenbuch), Diakon Joseph Thali (Landeskirchenrat), Thomas Kyburz-Boutellier (Fachverantwortlicher Bildung-Spiritualität im Pastoralen Zentrum Katholisch BL) und Bischofsvikar Christoph Sterkman (von links). | © Christian von Arx
Diskussion mit Daniel Bogner (Mitte): Pastoralraumleiterin Silvia Guerra (Allschwil-Schönenbuch), Diakon Joseph Thali (Landeskirchenrat), Thomas Kyburz-Boutellier (Fachverantwortlicher Bildung-Spiritualität im Pastoralen Zentrum Katholisch BL) und Bischofsvikar Christoph Sterkman (von links). | © Christian von Arx
12.11.2019 – Aktuell

Anstoss zum pastoralen Ungehorsam

Daniel Bogner, Moraltheologe an der Uni Fribourg, thematisierte bei der Pastoralkonferenz Baselland die fehlenden Mitwirkungsrechte in der Kirche

Die Diskussion mit Daniel Bogner, Professor für Moraltheologie und Ethik an der Universität Fribourg und Autor einer scharfen Analyse der Krise der Kirche, prägte die Versammlung der Pastoralkonferenz Basel-Landschaft vom 6. November in Allschwil. Angesichts des fehlenden Rechtswegs zu Reformen in der Kirche empfahl Bogner den pastoralen Ungehorsam.

Viele sind es, gerade auch unter den Seelsorgerinnen und Seelsorgern, die unter den herkömmlichen hierarchischen Strukturen der römischen Kirche leiden. Bei ihren Sorgen setzte Prof. Daniel Bogner (47), Autor des Buches «Ihr macht uns die Kirche kaputt … doch wir lassen das nicht zu!» (Herder-Verlag, 2019), mit seinen Thesen an. Gleich zu Beginn machte er klar: Wie in der Poesie, so könnten auch in der Kirche Form und Inhalt nicht voneinander getrennt werden. Fragen der Kirchenverfassung seien Existenzfragen. Die Evangelisation und die Strukturreform der Kirche gegeneinander auszuspielen, sei sachlich falsch.

«Laien beraten, Geweihte entscheiden»: Dieses Verständnis der Kirchenverfassung widerspricht für Daniel Bogner wesentlichen Aussagen des II. Vatikanischen Konzils. Statt Gewaltenteilung gebe es in der Kirche Gewaltanhäufung, wie in einer absoluten Monarchie. Checks und Balances fehlten, es gebe keine verbindliche Mitwirkung und Teilhabe. «Darum laufen wir in der Kirche immer gegen eine gläserne Decke.»

Die Einführung von Laientheologen und Pastoralassistenten sei damals als erster Schritt verstanden worden, «aber der erste Schritt war leider auch der letzte.» Wenn Laien nur berufen würden, um Löcher zu stopfen, weil es zu wenig Geweihte gebe, sei das für alle Seiten unbefriedigend. Auch die Übertragung von Ämtern an Frauen diene als Alibi, um die Weihe von Frauen zu umschiffen. In der gottesdienstlichen Praxis seien die Pfarreien stets gezwungen, gegen das Recht zu verstossen, wenn sie das moralisch Richtige tun wollten, meinte Bogner. Kurzfristig sei das ein gangbarer Weg, auf lange Sicht aber ungesund.

Bischöfe – «Athleten in Ritterrüstung»

Unter dieser Lage würden auch Priester und Bischöfe leiden, die ihrer Berufung zur Nachfolge entsprechen möchten. Bogner fand dafür ein drastisches Bild: «Bischöfe, die erneuern wollen und sich den Problemen stellen, wirken wie durchtrainierte Athleten, die vor dem Wettkampf in eine mittelalterliche Ritterrüstung steigen müssen, die ihren Willen sogleich lähmt.»

Das Drama der Kirche bestehe darin, dass für Reform, Erneuerung und Protest keine verlässlichen Strukturen zur Verfügung stünden. «In der Kirche gilt: Der Rechtsweg ist ausgeschlossen», formulierte Bogner. Es sei zynisch, wenn Kirchenführer ihren innerkirchlichen Kritikern sagten, sie könnten ja zu den Reformierten oder den Christkatholiken übertreten. Denn Glaube sei auch eine Kultur und ein Vokabular, er rühre an die Person.

Ansatzpunkte zum Handeln

Was tun, wenn die Kirchenverfassung keine Wege zur Reform bietet? Daniel Bogner empfahl den «pastoralen Ungehorsam»: «Das Kirchenvolk muss sich bemühen, Rollenmuster zu verlassen, die ihm von der Kirchenverfassung vorgegeben sind.» Vielstimmig, kreativ und fantasievoll: So stellt sich Bogner das Suchen und Finden von Handlungsfenstern zur Erneuerung der Kirchenverfassung vor.

Zweitens empfahl Bogner die internationale Vernetzung von lokalen Initiativen, zum Beispiel mit Partnergemeinden in allen Teilen der Welt. Denn die Besonderheiten der Schweizer Kirche würden in Rom als Sonderfall belächelt.

Erfolg verspricht sich der Theologieprofessor, drittens, von einer engen Allianz von Kirchenleitung und Kirchenvolk. Denn wirkliche Veränderung komme nie nur von einem Ort her, wie sich in der jüngsten europäischen Geschichte am Einsturz des Ostblocks zeige. Es brauche Druck von unten ebenso wie Reformwillen von oben – «ein Seilziehen auf allen Ebenen».

In der Diskussion wiesen Vertreterinnen von Pfarreien und Pastoralräumen unter anderem auf die fehlenden Ressourcen hin, um nach neuen Formen zu suchen. Daniel Bogner ermunterte trotz aller Schwierigkeiten dazu, «das, was wir tun können, mit aller Unverzagtheit zu tun». Denn: «Wir haben heute ein Gelegenheitsfenster, das wir nützen können.»

Christian von Arx