03.06.2021 – Editorial

Ein Traum

Kirchen als Treffpunkte? Als Orte, wo man zusammen mit andern neue, unbekannte Musik hört, klatscht und mitsingt? Wo man zuhört, schaut und geniesst, wo man spielt und isst und trinkt, wo man ins Gespräch kommt und diskutiert? Wo man ausspannt, wo Sorgen des Alltags kleiner werden, wo Verschüttetes geweckt, Neues entdeckt wird? Wo man Mensch sein darf, andere kennenlernt, sich selbst findet und mit neuen Ideen in den Alltag zurückkehrt?

Kirche als Veranstaltungsort, offen für dich und mich und die anderen. Ein Bestandteil des Stadt- und Dorflebens, ein Ort, den alle kennen. Der Generationen und Gruppen verbindet. Wo man hingeht, wo etwas stattfindet, wo Leben ist. Ein fester Bezugspunkt, ein Anker im Fluss der Zeit. – Ein Traum?

Szenenwechsel: Die Lange Nacht der Kirchen vom letzten Freitag, 28. Mai. Dutzende, Hunderte Kirchen in Baselland, Solothurn, Aargau machten mit, auch in Bern, Zürich und weiteren Kantonen. Mit Konzerten aller Art, mit Spielen für Kinder, Führungen durch Kirchen und Türme, Filmen und Lesungen, unkonventionellen Feiern und Gebeten, mit Speis und Trank. Diese Lange Nacht der Kirchen, eigentlich ein langer, schöner Maiabend, kam genau zur rechten Zeit! Wer dabei war, spürte so etwas wie einen Ausbruch aus der Pandemie. Offene Kirchen, offene Menschen.

Die Lange Nacht der Kirchen ist ein Anlass mit Potenzial. Wenn die Pfarreien in den nächsten Jahren dranbleiben, könnte sie so etwas wie eine Maiandacht der Zukunft werden. Sie bringt kirchennahe und kirchenferne Menschen ins Gespräch und in Beziehung. Die Pfarreien öffnen sich für die Gemeinschaft am Ort und stellen ihre Räume zur Verfügung. Dabei können sie auch einen spirituellen Moment gestalten, den viele Menschen suchen, die sonst nicht zur Kirche gehen.

Viele unserer Kirchen sind schön, alt und ehrwürdig, aber für heutige Gottesdienste zu gross – und allzu oft einsam. Noch vor wenigen Jahrzehnten war die Kirche im Dorf oder in der Stadt nicht allein Sakralort, sondern auch Treffpunkt und Zentrum ihrer Pfarrei mit einem vielfältigen kulturellen Leben, an dem grosse Teile der Bevölkerung teilnahmen. Die Lange Nacht der Kirchen weckt Erinnerungen daran. Sie zeigt ein Modell, wie auch durchs Jahr wieder Leben in die Kirchen kommen kann. Nötig sind Offenheit für die Zusammenarbeit mit Partnern, Vertrauen und ein langer Atem.

Wir brauchen Träume. Kommen Sie auch zur nächsten Langen Nacht der Kirchen?

Christian von Arx