Die als Stadtheilige verehrten Heinrich und Kunigunde am Uhrgehäuse an der Fassade des Basler Rathauses, das nach dem Beitritt Basels zur Eidgenossenschaft vom 13. Juli 1501 
neu gebaut wurde (in der Mitte Statue der Justitia). | @ wikimedia/Ralf Roletschek
Die als Stadtheilige verehrten Heinrich und Kunigunde am Uhrgehäuse an der Fassade des Basler Rathauses, das nach dem Beitritt Basels zur Eidgenossenschaft vom 13. Juli 1501 neu gebaut wurde (in der Mitte Statue der Justitia). | @ wikimedia/Ralf Roletschek
27.06.2019 – Aktuell

Ein Ostfrankenkönig als Basler Stadtheiliger

Am 13. Juli 1024 starb Kaiser Heinrich II., der mit Basel in besonderer Weise verbunden war

Ums Jahr 1000 gehörte Basel zum Burgunderreich. Was wollte der ostfränkische König und spätere Kaiser Heinrich II. am Rheinknie? Das Beispiel des Basler Stadtpatrons zeigt, wie Königsherrschaft im Mittelalter funktionierte und wie Legenden entstehen.

Im Jahr 1006 soll Heinrich, ostfränkischer König seit 1002, die Stadt Basel übernommen haben, als Pfand für den Erbanspruch auf das Burgunderreich. So steht es jedenfalls heute noch in den Geschichtsbüchern. Folgt man aber dem Mittelalterspezialisten Jan Rüdiger, gehört diese Darstellung ins Reich der Legenden, wie vieles, was dem späteren Kaiser Heinrich II. zugeschrieben wurde.

Unbestritten ist, dass Heinrich mit Basel verbunden war, allerdings weniger mit der Stadt als mit deren Bischof Adalbero. Was wollte er hier eigentlich? Um diese Frage kreiste ein Vortrag, den Rüdiger, Professor für Allgemeine Geschichte des Mittelalters an der Universität Basel, im Rahmen der Reihe «Auf einen Jubiläumskaffee mit dem Basler Münster» im Museum Kleines Klingental hielt.

Basel lag damals am Rand, an der nördlichen Peripherie des Königreichs Burgund. Es sei somit nicht Heinrichs Stadt gewesen, ja nicht einmal eine eigentliche Stadt, skizzierte Rüdiger die Ausgangslage. Für die Königsherrschaft im Mittelalter war die persönliche Präsenz des Herrschers von zentraler Bedeutung. «Königtum war dort, wo der König war», sagte Rüdiger. Wenn sich der König an einen bestimmten Ort begeben habe, dann sei es darum gegangen, Konkurrenz auszuschalten.

Ein Geschenk mit Folgen

Im Falle Basels spielte ein Geschenk eine wichtige Rolle: Im Jahr 999 legte der Burgunderkönig Rudolf III. mit der Schenkung der Abtei Moutier-Grandval den Grundstein für die weltliche Herrschaft des Basler Bischofs. Die Grosszügigkeit beinhaltete auch eine Verpflichtung: Rudolf wollte sicherstellen, dass der Juraübergang beherrschbar blieb. Das Geschenk rief den ostfränkischen König Heinrich auf den Plan. Dieser habe die Schenkung bestätigen wollen, sagte Rüdiger. Konkret habe er damit die Botschaft «Hier im Bistum Basel läuft nichts mehr ohne die Ostfranken» verkündet. Adalbero wiederum musste für kirchliche Belange mit beiden, Rudolf und Heinrich, klar kommen, weil sein Bistum Gebiete im burgundischen wie auch im ostfränkischen Herrschaftsbereich umfasste.

Was genau geschah nun im Jahr 1006? Heinrich habe die Stadt Basel seinem Reich hinzugefügt, heisst es dazu in der Chronik des Klosters Einsiedeln. Die lateinische Originalfassung lautet: Heinricus rex in regnum Burgundionum veniens Basileam civitatem regno suo adscivit. Die Herausgeber der Jahrbücher der Deutschen Geschichte zu Heinrich II. gehen einen grossen Schritt weiter: Heinrich sei 1006 ins Burgund gekommen und habe die Stadt Basel seinem Reich angeschlossen. Es sei naheliegend, diesen Erwerb als Pfand für die Sicherung eines Erbanspruchs auf das Burgund zu sehen. Rüdiger hingegen hält diese Interpretation für eine Erfindung der im Geiste der Gründung des Deutschen Reichs im 19. Jahrhundert verfassten Jahrbücher. Der lateinische Begriff «civitas» habe sich auf das Bistum bezogen. Heinrich sei es darum gegangen, den Basler Bischof zu seinem Gefolge zu zählen. Adalbero habe denn auch an wichtigen Anlässen des Ostfrankenkönigs teilgenommen.

War er bei der Weihe dabei?

Mindestens ein Fragezeichen ist auch hinter die viel zitierte Anwesenheit Heinrichs bei der Weihe des Münsters am 11. Oktober 1019 zu setzen. Dafür gibt es ein einziges Zeugnis in einer Publikation von 1752, welche ältere Chroniken neu abgedruckt hat. Zu diesen zählt auch die Blauensteinchronik aus dem 15. Jahrhundert, welche ihrerseits eine in der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts verfasste Basler Bischofschronik enthält. Gemäss dieser «stand der Kaiser selbst dabei». Noch fraglicher ist es, ob es denn Heinrich II. war, der den berühmten Goldenen Altar gestiftet hat. Der darauf abgebildete Heilige Michael weist darauf hin, dass der Altar ursprünglich für eine Michaelskirche bestimmt war, eine solche gab und gibt es in Basel nicht, wohl aber im bayerischen Bamberg. Der Aufstieg zum Basler Stadtheiligen nahm endgültig Fahrt auf, als 1347 die Reliquien von Heinrich und seiner Gattin Kunigunde nach Basel kamen. Jan Rüdiger meinte, dass man die Wohltaten späterer Herrscher dem seit Mitte des 12. Jahrhunderts als Heiligen verehrten Heinrich zugeschrieben habe. Er habe Basel (im Unterschied zu seinen Nachfolgern) nie erobert

Regula Vogt-Kohler