Eine musikalische Wiederentdeckung im Kloster Mariastein
Benno Ammanns Missa «Defensor Pacis» zur Heiligsprechung von Niklaus von Flüe wird erstmals seit 1947 aufgeführt
Die Messe miterleben, die für die Heiligsprechung von Niklaus von Flüe 1947 in Rom komponiert wurde und seither nie mehr zu hören war: Das ermöglichen die Basler Madrigalisten unter Leitung von Raphael Immoos am Sonntag, 16. Februar, im Kloster Mariastein.
«Eine Sensation, ein Fund von unschätzbarem historischem Wert»: Raphael Immoos, künstlerischer Leiter der Basler Madrigalisten und Musikwissenschafter an der Hochschule für Musik in Basel, scheut in diesem Fall grosse Worte nicht. Tatsächlich ist an der Missa «Defensor Pacis» von Benno Ammann manches einzigartig.
In der Fachzeitschrift «Musik und Liturgie» (Nr. 6/2017) schildert der Kirchenmusiker Matthias Wamser, Organist von St. Anton in Basel, die Intrigen und die Schlamperei, mit denen Ammann in Rom zu kämpfen hatte. Normalerweise bestimmte der damals 74-jährige päpstliche Kapellmeister auf Lebenszeit, Don Lorenzo Perosi, welche Musik an den Papstmessen gespielt wurde. Dass nun für die Heiligsprechung von Niklaus von Flüe am 15. Mai 1947 ein noch kaum bekannter Schweizer Komponist zum Zug kam, passte im Vatikan nicht allen. Ammann selbst schrieb aus Rom, für Perosi und den Chor der Sixtinischen Kapelle sei seine Messe «molto difficile e modernissima», also sehr schwierig und supermodern. Cécile Gächter, die Privatsekretärin des Kaplans der Schweizergarde, war überzeugt, dass Ammanns Werk vom damaligen Zeremonienmeister Respighi «absichtlich sabotiert» wurde.
Kontemplativ und meditativ
Benno Ammann kam 1904 in Gersau zur Welt, studierte Musik in Leipzig und lebte ab 1936 als Chorleiter und Dirigent in Basel. Als Komponist war er sehr modern und experimentell, schrieb aber auch zahlreiche geistliche Chorwerke. Er starb 1986 in Rom, wo er schon 1939 bis 1941 gearbeitet hatte.
Die 1946 komponierte Missa «Defensor Pacis» für sechs bis zwölf Stimmen gilt als Ammans bedeutendste Messe. Im Gespräch mit «Kirche heute» erklärt Raphael Immoos, das Werk sei in der Aufbruchstimmung nach dem Krieg entstanden, doch der Komponist habe dem Rahmen im Petersdom Rechnung getragen: «Dort konnte er nicht grosse Sprünge machen.» Die Messe bringe neue Klänge, sei aber nicht avantgardistisch. Ihre Musik sei kontemplativ und meditativ und habe Tiefgang.
Die Messe «in honorem Sancti Nicolai Helvetii Eremitae» verwendet die Worte der lateinischen Messe, vom Kyrie bis zum Agnus Dei. Zwischen Credo und Sanctus hat Ammann ein Offertorium (Gesang zur Gabenbereitung) mit dem Gebet von Bruder Klaus eingebaut. Das bekannte «Mein Herr und mein Gott» erklingt auf Latein: «Dominus meus et Deus meus …».
Verteidigung des Friedens ist aktuell
Der Titel «Defensor Pacis» bedeutet «Verteidiger des Friedens» und bezieht sich auf das friedensstiftende Wirken des Niklaus von Flüe (1417–1487). Der Einsiedler im Ranft trug zur friedlichen Lösung von Konflikten unter den Eidgenossen bei, Freiburg und Solothurn verdanken ihm ihre Aufnahme in Eidgenossenschaft 1481. Raphael Immoos geht es bei der Wiederaufführung der Messe zur Heiligsprechung um diesen Aspekt von Vermittlung und Diplomatie: «Die Verteidigung des Friedens ist sehr aktuell. Wir sind heute wieder in einer ähnlich bedrohlichen Situation», sagt der Leiter der Basler Madrigalisten.
Die Uraufführung der Messe 1947 wurde vom Radio übertragen, laut Immoos sind die Aufnahmen verschollen. Die Basler Madrigalisten werden nun Benno Ammanns Missa «Defensor Pacis» auf einer CD herausbringen. Zudem werden die Hug-Musikverlage, Zürich, die Noten neu herausgeben.
Christian von Arx
Editorial: Kirchenmusik als Krimi