29.11.2018 – Editorial

Wunschzettel

Ein Wunsch ist Wochen vor Weihnachten bereits in Erfüllung gegangen. So deutlich, wie ich es mir gewünscht, aber kaum zu hoffen gewagt hatte, hat das Schweizer Stimmvolk die Selbstbestimmungsinitiative abgelehnt. Kurz vor dem Abstimmungswochenende hatten die Befürworter nochmals für ihre Vorlage geworben, massiv und nach der bis dahin wenigstens optisch eher gedämpft daherkommenden Kampagne jetzt auch offensiv. Genützt hat es zur Erleichterung vieler nichts mehr, die Mehrheit der Hälfte aller Stimmberechtigen, die an der Abstimmung teilnahm, erteilte der Initiative eine Absage. Auch ein ganz knappes Ja hätte ja gereicht, aber die Deutlichkeit des Entscheids macht ihn zu einem starken und (aus der Sicht der Abstimmungssieger) positiven Signal. Ein Signal unter anderem dafür, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger durchaus in der Lage zu sein scheinen, auch in eher komplizierten Dingen vernünftige Entscheide zu fällen.

Der Wunsch, die Selbstbestimmungsinitiative möge der letzte derartige Vorstoss sein, wird nicht in Erfüllung gehen – und das ist auch gut so. In einer Demokratie muss es möglich sein, auch Anliegen zu lancieren, die nicht von vor­neherein überall auf Begeisterung stossen. Wünschen würde ich mir allerdings, dass unser demokratisch gewähltes und damit legitimiertes Parlament etwas mehr Mut zeigt bei der Beurteilung von Begehren, an deren menschenrechtskonformer Umsetzung grosse Zweifel bestehen.

Und was steht sonst so auf meinem Wunschzettel, den ich natürlich längst nicht mehr niederschreibe und für das Christkind zum Abholen auf den Fenstersims lege? Wie jedes Jahr wünsche ich mir natürlich, dass ich «meinen» Weihnachtsbaum, der irgendwo im nahen Wald auf mich wartet, auch finde. Was den Rest angeht, so sind es hauptsächlich Dinge, die man nicht als «Päckli» unter den Baum legen kann.

Dazu gehört eine Kirche, die ebenso im Heute ankommt wie zu ihrer Wurzel zurückkehrt. Ich bin nicht Theologin, aber ich bin als Katholikin davon überzeugt, dass die Botschaft Jesu nicht die Gründung eines Machtapparates beinhaltet – und schon gar nicht eines solchen, in dem die Hälfte der Mitglieder nicht die vollen Rechte geniesst, auch wenn der Fortbestand der Institution (und nicht nur dieser) ohne sie undenkbar ist.

Regula Vogt-Kohler