24.01.2019 – Editorial

Stellung beziehen

«Soll die Kirche in einer pluralistischen Gesellschaft wie der Schweiz überhaupt öffentlich Stellung beziehen, oder sollte sie nicht besser schweigen?» Diese Frage steht am Anfang einer Botschaft der Schweizer Bischofskonferenz – nicht zur aktuellen Debatte um den neugegründeten Thinktank Kirche/Politik, sondern zum Na­tionalfeiertag am 1. August 2013 (www.bischoefe.ch/gesellschaft/politik).

Wenn man weiter liest, wird schnell klar, dass die Frage vor allem rhetorisch gemeint ist. Die Antwort ergibt sich für die Schweizer Bischöfe aus dem christlichen Glauben selbst: «Denn der christliche Glaube muss Konsequenzen haben, sonst wäre er bedeutungslos.»

Die öffentliche Positionierung beschränke sich nicht auf Erklärungen der Bischöfe, sondern gehe in erster Linie von Menschen aus, die sich von ihrem Glauben inspirieren lassen, heisst es in der Botschaft. Und weiter: «Jede vom Evangelium inspirierte Geste, ob bewusst oder unbewusst, hat ihre Wirkung – und ist ­also in gewisser Weise eine öffentliche, christ­liche Positionierung.»

Das bedeutet konkret: Wer den christlichen Glauben in irgendeiner Weise aktiv umsetzt, bezieht damit automatisch auch Stellung. Und umgekehrt ergibt sich aus der christlichen Überzeugung die Pflicht, explizit Stellung zu beziehen. Wo dies gefragt sei, müssten Christen politisch Stellung nehmen, sagte der Basler Bischof Felix Gmür an einem Podium zum Auftakt des Zwinglijahres. Christoph Sigrist, Pfarrer am Zürcher Grossmünster, ging am gleichen Anlass noch einen Schritt weiter: «Das Glaubensbekenntnis kann nur politisch aus­gelegt werden.»

Daraus ergibt sich die (zumindest aus der Sicht der Kirchen logische) Schlussfolgerung, dass nicht die Politik, sondern die Kirchen selbst darüber entscheiden, ob und in welcher Form sie sich politisch äussern. Auch wenn das grundsätzliche «ob» (wie weiter oben ausgeführt) keine Frage ist, heisst das noch lange nicht, dass sich die Kirchen, aber auch kirchennahe Institutionen, zu denen unter anderen das Pfarrblatt zählt, zu allem und jedem vernehmen lassen sollten. Geht es aber um den Kern christlicher Werte, müssen auch ganz konkrete Empfehlungen und nicht nur allgemeine ethische Orientierungshilfen möglich sein. Dass dies nicht zur Freude aller politischen Parteien und Gruppierungen ausfallen kann, liegt auf der Hand.

Regula Vogt-Kohler