Maria mit Kind findet man über dem Giebelfenster des Westgiebels; neben dem Fenster stehen Heinrich und Kunigunde. | © Archiv Kh
Maria mit Kind findet man über dem Giebelfenster des Westgiebels; neben dem Fenster stehen Heinrich und Kunigunde. | © Archiv Kh
13.05.2019 – Aktuell

Die reformierte Münsterpfarrerin denkt über Maria nach

1000 Jahre Heinrichsmünster: Das Basler Münster als spätmittelalterliche Marienkirche

Die Reformation hat Maria vom Podest geholt, auch am und im Basler Münster. Die Leerstelle ist für Münsterpfarrerin Caroline Schröder Field Anlass, über das Verschwundene nachzudenken. Ihre persönliche Annäherung an Maria war das Thema des ersten Jubiläumskaffees im Museum Kleines Klingental.

 

Ein leeres Podest, das ist von Maria am Hauptportal des Basler Münsters übrig geblieben. «Sie wurde vom Sockel gehoben», formulierte es Caroline Schröder Field. Aus einer mit vielen Attributen und Titeln bedachten Heiligen wurde aus reformatorischer Sicht einfach eine Frau aus dem Lukas-Evangelium, «immerhin ohne die es nicht Weihnachten werden konnte», wie die Münsterpfarrerin betonte.

Die Überfigur wurde zur gewöhnlichen Frau, die Statuen wurden abmontiert und die Bilder übermalt oder gar abgeschabt – wenigstens dort wo man sie gut erreichen konnte. An einzelnen Stellen ist Maria im Basler Münster noch immer sichtbar präsent. So thront sie mit Jesus auf dem Arm hoch oben über dem Giebelfenster des Westgiebels oberhalb des kaiserlichen Stifterpaars Heinrich und Kunigunde. Dargestellt als Himmelskönigin, einer ihrer vielen nicht biblisch begründeten Rollen, sieht man sie auf dem nordöstlichen Schlussstein im Hochchor, und Bilder in der Krypta erzählen ihre Familiengeschichte. Zu finden ist sie zudem an der Pfalzmauer.

 

Knallbuntes Münster

Verschwunden wie die Figur am Hauptportal sind hingegen die Fresken am Deckengewölbe («Es wurde Licht – und Maria spricht»). Ihre Rekonstruktion, die als Lichtinstallation noch bis 14. Juli im Münster zu sehen ist, in Form von farblosen Strichzeichnungen täuscht. Sehr farbig muss man sich den Bilderzyklus vorstellen. «Das Münster war im Mittelalter knallbunt, aussen und innen», hielt Schröder Field fest.

Die unseren heutigen Vorstellungen und Erwartungen so gar nicht entsprechende Farbigkeit ist nicht der einzige Hinweis darauf, dass die Menschen im späten Mittelalter in einer uns fremden Welt lebten. Schröder Field verwies auf die Art und Weise, wie vor der Reformation die Bibel gelesen wurde. Es war eine unhistorische Lesart, eine Lesart, die den Menschen damals einleuchtete. Die Bilder an der Münsterdecke sind dafür ebenso Ausdruck wie der Heilsspiegelalter von Konrad Witz. Die Darstellungen stellten Bezüge zwischen Altem und Neuem Testament, aber auch zwischen Biblischem und Nichtbiblischem her.

 

Maria, idealisiert

Wie gelangte Maria eigentlich auf den Sockel? Im für das Publikum offenen Teil der Veranstaltung war auch die Idealisierung von Maria ein Thema. «Man machte sich von Maria jenes Bild, das man sich machen wollte», sagte Schröder Field. Zu den Fragen, mit denen man sich bei der bildlichen Darstellung auseinandersetzte, gehörten solche wie diese: Was tat Maria, als der Engel kam? Die rekonstruierte Verkündigungsszene im Basler Marienzyklus zeigt Maria mit einem Buch. Es sei aber historisch nicht wahrscheinlich, dass sie lesen konnte.

Regula Vogt-Kohler