28.04.2020 – Editorial

Die Kirche darf niemanden vom Gottesdienst ausschliessen

Die Schweizer Bischofskonferenz hat ein Rahmen-Schutzkonzept zur Durchführung öffentlicher Gottesdienste erlassen. Das Ziel ist, dass Pfarreien und Gruppen wieder gemeinsam Gottesdienste feiern können. Das Rahmenkonzept enthält eine lange Liste detaillierter Regelungen, dank denen Ansteckungen der Gottesdienstbesucher/innen vermieden werden sollen. «Der Gottesdienstbesuch und der Infektionsschutz sollen gleichermassen gewährleistet werden», heisst es darin.

So weit, so gut. Doch das Konzept hat einen Pferdefuss. Im allerletzten Punkt (Ziffer 4, Buchstabe d) schreibt es vor: Gläubigen, die zu den vom Bundesrat bezeichneten Risikogruppen gehören, «wird nahegelegt, dem Gottesdienst fernzubleiben». Zu diesen «besonders gefährdeten Personen» zählt die Verordnung des Bundes generell alle ab 65 Jahren, ausserdem auch Jüngere mit Krankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankung, chronischen Atemwegserkrankungen, Immunschwäche oder Krebs. Dabei handelt es sich um rund 30 Prozent der ganzen Bevölkerung: Über 65-jährig sind in der Schweiz 1,6 Millionen Menschen, insgesamt umfasst die Risikogruppe laut einer Schätzung etwa 2,6 Millionen.

All diese Menschen von Gottesdiensten auszuschliessen, ist unverständlich und empörend. Es sind genau diejenigen, die jetzt am meisten isoliert sind und durch das Aufgehobensein in einem Gottesdienst am meisten gestärkt würden. Hier können sie nach langem wieder anderen Menschen leibhaftig begegnen – wenn auch auf zwei Meter Distanz – und so erleben, dass sie nach wie vor selbstverständlich zur Gemeinschaft gehören, gleichberechtigt und geschätzt.

Die Kirche als allererste sollte alles daran setzen, diesen Menschen zu zeigen, dass sie dazugehören. Auch wenn sie wegen des Coronavirus in anderen Bereichen faktisch ausgeschlossen werden – die Kirche darf das nicht! Alle Beeinträchtigungen des Gottesdiensterlebnisses durch die hygienischen Schutzmassnahmen sind hinzunehmen, wenn dadurch die Teilnahme der ganzen Gemeinde samt den «Risikopersonen» ermöglicht wird. Wird dieses Minimalziel jedoch nicht erreicht, verkehrt sich der vermeintliche Schutz von Gefährdeten in sein Gegenteil: Ihnen wird nun auch noch von ihrer Pfarrei klargemacht, dass sie nicht dazugehören. Das ist alles andere als gesundheitsstärkend.

Der Ausschluss der durch die anhaltende Isolation seelisch schwer belasteten Personen vom Gottesdienst ist inakzeptabel. Die Kirche soll und darf niemanden ausschliessen, auch nicht unter dem Vorwand, ihn zu schützen. Sie hat vielmehr die Pflicht, dafür zu sorgen, dass Gottesdienste auch für diese Gläubigen keine Gefährdung darstellen. Gottesdienste unter Ausschluss von Alten und Risikogruppen: Nein danke!

Christian von Arx