Die Barfüsserkirche, die Kirche des ehemaligen Franziskanerklosters in Basel, beherbergt heute das Historische Museum Basel. | © Regula Vogt-Kohler
Die Barfüsserkirche, die Kirche des ehemaligen Franziskanerklosters in Basel, beherbergt heute das Historische Museum Basel. | © Regula Vogt-Kohler
12.07.2021 – Aktuell

Wie die Franziskaner Europa nördlich der Alpen prägten

Was brachten die Franziskaner neu in Kirche und Gesellschaft ein? Was war das Ziel ihrer Mission?

Im Jahr 1221 fasste die Bewegung des Franz von Assisi nördlich der Alpen Fuss. 30 Brüder kamen über den Brennerpass und verteilten sich auf Städte zwischen Salzburg und Köln. 1231 trafen die ersten Franziskaner in der Schweiz ein. Sie kamen von Strassburg nach Basel.

Im Mai 1209 steht Franziskus mit elf Gefährten vor dem mächtigsten Papst des Mittelalters. Keiner dieser ersten Brüder ist Priester oder Theologe, und dennoch erlaubt ihnen Innozenz III., wie die Jünger Jesu zu leben und das Evangelium «urbi et orbi» zu verkünden – in Rom und weltweit.

1217 versammeln sich bereits 3000 Brüder zum Pfingstfest in Assisi und beschliessen, ihre Sendung über Italien hinaus zu öffnen. Equipen ziehen übers Mittelmeer nach Frankreich, Spanien, Tunesien und Syrien. Doch es fehlt den Brüdern an Sprachkenntnissen, grundlegend für den Dialog mit anderen Kulturen. Franz selbst macht 1219 eine bahnbrechende Erfahrung in Ägypten, wo er in den Kreuzzug eingreift und die Freundschaft von Sultan al-Kāmil gewinnt.

Ein gewagter Aufbruch nach Norden

In jenem Sommer 1219, als Franz zur Friedensmission in den Orient reiste, brachen sechzig Brüder nach Deutschland und Ungarn auf. Ihre Mission scheiterte kläglich, weil keiner dieser Italiener deutsch oder ungarisch sprach. Da die Lombardei als Tummelplatz der Ketzer galt, wurden die Brüder in ihren ärmlichen Kutten verprügelt und nach Süden zurückgejagt. Zwei Jahre später gelingt es Franz, Ängste vor der «Wildheit der Deutschen» abzubauen.

Als sich die Brüder Ende September am Alpensüdrand sammeln, verflüchtigen sich die Ängste vor den Barbaren im Norden bald. In Trient kleidet sie ein reicher Bürger in wärmere Kutten, um sie für das alpine Herbstklima in den Bergen und den Winter im Norden zu rüsten. Der Gönner schliesst sich den Brüdern dann selber an, nachdem er seinen Besitz an die Armen verteilt hat. Unterwegs lassen die Ortsbischöfe sie in den zweisprachigen Regionen von Bozen und Brixen predigen. Als die Teams nördlich des einsamen Brennerpasses ausgehungert in Tirol eintreffen und dem Inn folgen, erfahren sie erneut offene Gastfreundschaft «in Dörfern, Burgen und Klöstern, bis sie Augsburg erreichten».

Boten einer geschwisterlichen Kirche

Im Gegensatz zu den irischen Wandermönchen in Franken oder Bonifatius’ benediktinischer Germanenmission fanden die frühen Franziskaner kein Missionsland vor, das es zu christianisieren galt. Am Rhein trafen sie auf die prachtvollen romanischen Kaiserdome von Worms, Speyer und Mainz, und in Kürze liess das Zeitalter der Gotik auch in Deutschlands Städten lichtdurchflutete Kathedralen zum Himmel streben. Die Franziskaner kamen jedoch als Boten einer geschwisterlichen Kirche in unseren Kulturraum.

Sie forderten sowohl die alte Feudalgesellschaft heraus, die Adel, Klerus und Bauernfamilien strikt in drei Stände trennte, wie die neue bürgerliche Kultur, die zwischen Stadt und Land, Besitzenden und Armen, Mitbürgern und Fremden unterschied. Die Brüder verbanden im eigenen Kreis, was Gesellschaft und Kirche trennte: Adelige, Bürger und Bauern, Laien und Priester, und ihre Bewegung überwand auch alle nationalen und kulturellen Grenzen. Adelige Bischöfe und reiche Abteien wurden durch die bettelarmen Franziskaner an die Lebensweise Jesu erinnert, dessen Jünger mit leeren Händen durchs Land zogen, Ausgeschlossene integrierten, Bedrückte aufrichteten und Gottes Nähe mitten im Alltag der Dörfer und Städte erfahrbar machten.

gekürzte Fassung eines Beitrags von Niklaus Kuster* bei kath.ch

*Der Kapuziner Niklaus Kuster ist Lehrbeauftragter für Kirchengeschichte an der Uni Luzern.