Symbolträchtig: Abt Peter von Sury (mit Kreuz) und der Mariasteiner Konvent im Herbst 2020 vor dem Kastanienbaum, den P. Norbert Cueni im Juli 1971 nach der staatsrechtlichen Wiederherstellung in der Allee zum Kloster pflanzte. | © Archiv Kloster Mariastein
Symbolträchtig: Abt Peter von Sury (mit Kreuz) und der Mariasteiner Konvent im Herbst 2020 vor dem Kastanienbaum, den P. Norbert Cueni im Juli 1971 nach der staatsrechtlichen Wiederherstellung in der Allee zum Kloster pflanzte. | © Archiv Kloster Mariastein
17.06.2021 – Aktuell

Die denkwürdige Heimkehr des Klosters Mariastein

Zum 50. Jahrestag der staatsrechtlichen Wiederherstellung des Klosters Mariastein

1874 verjagte der Kanton Solothurn die Benediktiner aus Mariastein, 1971 gab er ihnen das Kloster zurück. Am 21. Juni ist es genau ein halbes Jahrhundert her seit der Wiederherstellung des Klosters.

War es die zähe Hoffnung der Mönche? War es die Popularität der Wallfahrt? War es die Unterstützung treuer Freunde, oder einfach der Wandel der Zeit? Oder war es die schützende Hand der Maria «im Stein»?

Was immer der tiefere Grund gewesen sein mag: Tatsache ist, dass die Klostergemeinschaft von Mariastein im Juni 1971, fast 100 Jahre nach ihrer Vertreibung durch den Kanton Solothurn, vom gleichen Kanton ihr Kloster wieder zurückbekam. «Staatsrechtliche Wiederherstellung des Klosters Mariastein» nennen es Juristinnen und Historiker. Man darf auch sagen: Kanton und Kloster machten Frieden.

Am 21. Juni sind es genau 50 Jahre her, dass diese Geschichte zu ihrem glücklichen Ende kam. Zwar musste der für das Wochenende vom 19./20. Juni geplante Höhepunkt des Gedenkjahres 2021 wegen der Pandemie um ein Jahr verschoben werden. Feierstunde und Festgottesdienst sollen nun am 18. und 19. Juni 2022 stattfinden. Auch die triregionale Gedenkwallfahrt ist auf nächstes Jahr verschoben (siehe Text rechts). Aber Mariastein ist das Warten gewohnt.

So oder so ziehen Abt und Konvent aus der unglaublichen Geschichte ihres Klosters Kraft, um auch angesichts einer ungewissen Zukunft Zuversicht zu bewahren. Mit ihrem «Gesamtprojekt Mariastein 2025» stellen sie heute die Weichen, damit die Wallfahrt nach Mariastein langfristig gesichert bleibt, auch wenn die Klostergemeinschaft dazu nicht mehr in der Lage wäre.

Jahrzehntelange Hoffnung erfüllte sich wunderbar

«Es grenzt an ein Wunder, dass das Kloster als Gemeinschaft noch immer existiert.» So schreibt alt Abt Lukas Schenker in seinem Buch über Exil und Rückkehr des Mariasteiner Konvents. Viermal mussten die Mönche zwischen 1798 und 1941 der Gewalt von Staaten weichen und sich jeweils an neuen Orten wieder aufrappeln. Als alles am schlimmsten war, kehrten sie heim, nach Mariastein.

Im Kanton Solothurn gipfelte die klosterfeindliche Stimmung der Zeit des Kulturkampfs 1874 in einer Vorlage der Regierung für die Aufhebung des Klosters Mariastein sowie zweier Stifte in Solothurn und Schönenwerd. Die Volksabstimmung vom 4. Oktober 1874 ergab eine Mehrheit von 58 Prozent für die Aufhebung. In Dorneck-Thierstein hätten drei von vier Stimmenden das Kloster in Mariastein gerne behalten.

Im Volksbeschluss hiess es, dem Kloster werde die «korporative Selbständigkeit» entzogen. Konkret hiess das, dass der Kanton das Kloster enteignete. Abt und Konvent wurden mit Polizeigewalt aus dem Gebäude gewiesen.

Die Wallfahrt blieb immer

Allerdings garantierte der Kanton weiterhin die Wallfahrt nach Mariastein, und zu diesem Zweck stellte er auf eigene Kosten mehrere Benediktinerpatres an. «Solothurn dürfte darum weltweit wohl der einzige liberale Staat sein, der über Jahrzehnte eine katholische Marienwallfahrt ‹betrieb›», schreibt Lukas Schenker. Der Kanton vertrieb also die Klostergemeinschaft aus Mariastein, setzte aber voraus, dass es weiterhin einen Abt und Mönche gab.

Laut Schenkers Darstellung war es das Verdienst von Abt Carl Motschi (im Amt von 1873 bis 1900), dass der Konvent von Mariastein nicht zerfiel. Denn Motschi sorgte dafür, dass die Mönche weiterhin seiner Leitung unterstanden. Weil die Bundesverfassung von 1874 die Errichtung von Klöstern verbot, wich er mit dem Konvent 1875 ins französische Delle aus. Von dort aus hielt er Kontakt zu den wenigen Mitbrüdern in Mariastein.

So behielten Abt und Konvent in allen Jahren des Exils immer einen «Fuss» in Mariastein. Von Delle mussten sie 1902 nach Dürrnberg bei Hallein (Österreich) umziehen, 1906 nach Bregenz. Ebenfalls ab 1906 wirkten Mariasteiner Mönche am Kollegium Altdorf (bis 1981).

Von den Nazis verjagt

An den Tiefpunkt gelangte der Mariasteiner Konvent, nachdem Österreich 1938 an Nazi-Deutschland angeschlossen wurde. Am 2. Januar 1941 erschien die Gestapo in Bregenz und befahl, dass alle Mönche die Anlage noch am gleichen Tag verlassen mussten. Die Gebäude wurden beschlagnahmt, Schweizer Mönche wurden in die Schweiz abgeschoben.

In der Not bat Abt Basilius Niederberger (im Amt 1937 bis 1971) am 13. Januar 1941 die Solothurner Regierung um Asyl in den Klostergebäuden in Mariastein. Und Solothurn zeigte Herz: Am 21. Januar gestattete der Regierungsrat, «dass die aus dem Stift in Bregenz ausgewiesenen Klosterleute im ehemaligen Kloster in Mariastein provisorisch aufgenommen werden, um die Klosterfamilie beisammen zu halten». Doch das Kloster bleibe aufgehoben, eine Wiederherstellung sei ausgeschlossen.

Nach dem Kriegsende 1945 erhielten die Benediktiner das Kloster in Bregenz sofort zurück. Doch der Abt erlaubte der Stadt Bregenz, die Gebäude für ein Mädchengymnasium zu nutzen. Die Solothurner Regierung willigte ein, das «Asyl» der Mönche zu verlängern.

Eine dauernde, offizielle Heimkehr des Klosters nach Mariastein schloss die Kantonsregierung weiterhin aus. Um dies zu ermöglichen, brauchte es jahrelange Bemühungen auf juristischer und politischer Ebene. Den Durchbruch brachte ein Gutachten des Basler Staatsrechtsprofessors Max Imboden von 1964, das klar aufzeigte, dass der Solothurner Volksbeschluss von 1874 dem Kloster zwar die Qualität einer selbstständigen Körperschaft abgesprochen, es aber nicht aufgehoben hatte. Somit konnte sein Wiederaufleben nicht dem Klosterverbot der Bundesverfassung widersprechen.

«Te Deum» nach der Abstimmung

Nun zeigte sich, dass in allen politischen Parteien Solothurns die Bereitschaft vorhanden war, das Kloster Mariastein den Benediktinern zurückzugeben. Am 7. Juni 1970 stimmten die Solothurner Stimmbürger mit Zweidrittelsmehrheit zu, dem Kloster Mariastein wieder die korporative Selbstständigkeit zu verleihen. «Nach der Komplet des Abstimmungssonntages sangen die Mönche in der Klosterkirche dankbar das Te Deum», berichtet Lukas Schenker.

Vollzogen wurde die staatsrechtliche Wiederherstellung des Klosters am 21. Juni 1971: Unter Führung von Landammann Willi Ritschard begab sich der ganze Solothurner Regierungsrat in einem feierlichen Akt nach Mariastein. Seither sind Abt und Konvent wieder im eigenen Kloster daheim.

In den vielen Jahren des Exils hatte die Klostergemeinschaft die Hoffnung nie aufgegeben. Alt Abt Lukas Schenker sieht dahinter Gottes Vorsehung und Fürsorge am Werk, aber auch die Bindung der Mönche an die «im Stein» verehrte Gottesmutter Maria, auf deren Schutz sie in allen Nöten vertrauten.

Christian von Arx

 

Quellen: Lukas Schenker OSB, Exil und Rückkehr des Mariasteiner Konvents 1874–1981. Erweiterte Neuausgabe 2021; Willkommen daheim, Broschüre zum Gedenkjahr 2021, Mariastein 2020; Zeitschrift «Mariastein» (diverse Nummern).

 

Gemeinsam auf dem Weg zur feierlichen Rückgabe des Klosters am 21. Juni 1971: Landammann Willi Ritschard (links), Abt Basilius Niederberger, Dompropst Josef Eggenschwiler. | © Archiv Kloster Mariastein