Khaleda arbeitete im Rana-Plaza-Gebäude, als es am 24. April 2013 einstürzte. Sie erhielt Unter­stützung dank britischen Hilfsgeldern und ist heute als Schneiderin tätig. (Foto: DFID – UK Department for International Development)
Khaleda arbeitete im Rana-Plaza-Gebäude, als es am 24. April 2013 einstürzte. Sie erhielt Unter­stützung dank britischen Hilfsgeldern und ist heute als Schneiderin tätig. (Foto: DFID – UK Department for International Development)
23.06.2018 – Hintergrund

Der hohe Preis der Billigmode

«Fair-» statt «Fast-Fashion»: Ethische Aspekte der Textilproduktion

Immer schneller, immer billiger: Dieser Trend in der Modebranche hat eine hässliche Kehrseite mit Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung. An der 3. Basler Sommerakademie unter dem Titel «More Than Fashion» waren ethische Gesichtspunkte der Textilproduktion ein Thema.

Im April 2013 alarmierte die Katastrophe in den Textilfabriken im Gebäudekomplex Rana Plaza in Bangladesch die Weltöffentlichkeit. Beim Einsturz des achtstöckigen Gebäudes starben mehr als 1000 Menschen, mehr als 2000 erlitten Verletzungen. Der Fall Rana Plaza weist anklagend auf die problematischen Bedingungen in der Textil- und Schuhproduktion hin. Wie kann man da noch gerne Kleider kaufen gehen?

Gehen Sie gerne shoppen? Mit dieser Gretchenfrage eröffnete Moderatorin Béatrice Bowald die Diskussion auf dem Podium. Für Bowald, katholische Co-Leiterin des Pfarramts für Industrie und Wirtschaft beider Basel, ist das Kleiderkaufen ein ungeliebtes Muss. Nina Bachmann, Leiterin Technologie und Umwelt bei Swiss Textiles, hingegen geht eigentlich gerne Kleider kaufen, am liebsten in Läden, nach mehrmaligem Evaluieren. Beim Zügeln hat sie aber festgestellt, wieviel sich da ansammelt.

Peter Kirchschläger, Leiter des Instituts für Sozialethik an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern, ist, allein schon wegen seiner überdurchschnittlichen Körperlänge, kein begeisterter Kleiderkäufer. Wenn er auf die Suche geht, dann fragt er nach den Produktionsbedingungen, und die Antworten sind oft ein Grund, nichts zu kaufen. «Kleider machen Spass», findet Andreas Holzer, Analyst im Investment Center der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB). Beim Kleiderkauf versucht er sein berufliches Wissen zu nutzen.

Rana Plaza hat drastisch gezeigt, wie Dinge, die unser Leben verschönern oder zumindest komfortabel machen, unter Missachtung minimalster Standards produziert werden. Wie und vor allem wie schnell lässt sich das ändern? «Treten wir in dieser Diskussion an Ort oder gibt es eine positive Entwicklung?», fragte Bowald. Kirchschläger sieht durchaus eine positive Entwicklung und verweist auf Bestrebungen für ein UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten. Dieses soll Firmen zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichten. Bis zu Inkraftsetzung und Umsetzung könnten aber noch mehrere Jahrzehnte vergehen.

Seit April 2013 bewege sich einiges, stellte Bachmann fest. «120 Jahre konnte die Textilindustrie machen, was sie wollte. Seit fünf Jahren geht das nicht mehr.» Massnahmen wie die Schulung von Millionen von Arbeiterinnen brauchen allerdings Zeit. Kirchschläger akzeptiert das Zeitargument nicht. «Die Industrie bräuchte keinen Moment, wenn es um Qualität und Lieferfristen ginge.» Es gehe um eine reine Frage des Willens, verbunden mit Kosten. «Es käme keinem Unternehmen in den Sinn, so etwas in Europa zu machen.» Bachmann gab zu bedenken, dass Staaten, welche selber die Menschenrechte nicht achten, ein weiteres Problem sind.

Dass ungenügende Qualität und nicht eingehaltene Lieferfristen schnell zu Massnahmen führen, hat natürlich damit zu tun, dass sich Probleme in diesen Bereichen sofort auf den Umsatz auswirken. Warum läuft das nicht auch so, wenn ethische Standards verletzt werden? «Die Konsumenten legen nicht so viel Wert darauf, wie sie sollten», meinte Andreas Holzer. Um aber die Anleger zu einem Wechsel zu überzeugen, braucht er Zahlen, konkret wieviel weniger Leute bei einem bestimmten Unternehmen einkaufen gehen.

Die BLKB richtet sich bei ihrer Anlagepolitik auch nach sozialen und ökologischen Kriterien, doch Holzers Äusserungen liessen allfällige Illusionen schnell verfliegen. «Wir investieren in Firmen, die sich im Vergleich zu anderen nachhaltiger verhalten.» Nachhaltiger bedeutet also nicht unbedingt nachhaltig. «Wir sind in einer relativen Betrachtung», sagte Holzer. Die Börse sei unerbittlich, es gehe darum, den Gewinn zu steigern.

Wo soll man ansetzen, wer hat den grössten Hebel? Es brauche das Zusammenspiel aller Akteure, sagte Bachmann, und es müsse auch bezahlt werden. Holzer sieht auch den Kunden in der Pflicht: «Er fragt halt nie nach, woher die Unterhose kommt.» Statt Verhaltensaufrufen würde die BLKB bevorzugen, wenn sich nachhaltiges Verhalten auf Umsatz und Gewinn auswirken würde. «Irgend jemand muss den Firmen mal aufs Dach geben, damit sich das auf den Aktienkurs auswirkt», sagte Holzer. Auf politischer Ebene gelte es an den Rahmenbedingungen zu schrauben, damit es nicht bestraft werde, wenn man sich korrekt verhalte, sagte Kirchschläger.

Regula Vogt-Kohler

Im Labeldschungel

Wie kann sich der Kunde darüber informieren, welche Standards ein Unternehmen in der ­Textilbranche einhält? Labels spielen dabei ­eine wichtige Rolle. Hier findet man Informa­tionen, die helfen, sich im Dschungel der vielen Labels zurechtzufinden:
labelinfo.ch; Produktegruppe «Textilien»
label-online.de; Kategorie «Bekleidung und Schuhe»